Bedingung für weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) sei mehr Zuversicht in den Abwärtstrend bei der Inflation, betont EZB-Ratsmitglied und Finnlands Notenbankchef Olli Rehn am Mittwoch. Dann könnten weitere Zinsschritte nach unten erfolgen. Zinssenkungen würden eine Erholung der Wirtschaft in der Euro-Zone unterstützen.
Dies gelte insbesondere für das fragile Wachstum in der Industrie und die bisher verhaltenen Investitionen, sagte Rehn. Er erwartet dieses Jahr einen Schlingerkurs bei der Inflation. „Die Inflation schwächt sich weiter ab, aber der Weg zum Zwei-Prozent-Ziel bleibt in diesem Jahr holprig,“ sagte er. Die EZB strebt eine Teuerungsrate von 2,0 Prozent für die 20-Länder-Gemeinschaft an. Bisher rechnet die EZB damit, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte im kommenden Jahr die Zielmarke erreicht. Zuletzt war die Inflation überraschend wieder gestiegen. Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Juli um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat nach 2,5 Prozent im Juni.
Weitere Senkung im September erwartet
Die Währungshüter hatten Anfang Juni erstmals seit 2019 die Zinsen wieder nach unten gesetzt. Auf der darauffolgenden Juli-Zinssitzung pausierten sie jedoch. Aktuell liegt der am Finanzmarkt richtungsweisende Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, bei 3,75 Prozent. Aus den Kursen am Geldmarkt geht hervor, dass Investoren die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung auf der nächsten EZB-Sitzung am 12. September aktuell mit 84 Prozent taxieren.
„War eine Überreaktion der Märkte“
Die jüngsten Turbulenzen an den Aktienmärkten waren nach Einschätzung von Rehn unangemessen. „Meines Erachtens war es eine Überreaktion der Märkte.“ Er verwies auf die hohe Unsicherheit und die dünne Marktliquidität in der Ferienzeit. Die jüngsten Kursausschläge hätten weniger mit wirtschaftlichen Fundamentaldaten zu tun.
Der am vergangenen Freitag veröffentlichte schwache Arbeitsmarktbericht der US-Notenbank hatte Sorge vor einer Abschwächung der Wirtschaft in den Vereinigten Staaten verstärkt. Erwartungen, dass die US-Notenbank Fed ihre Zinsen im September deutlich senken könnte, wurden geschürt. Laut Rehn bleibt die US-Wirtschaft jedoch „relativ stark“. Zentralbanken würden nicht dazu neigen, auf einzelne Veränderungen an den Finanzmärkten zu reagieren. Es gehe vielmehr darum, das wirtschaftliche Gesamtbild zu sehen.