Am 1. Oktober löst der gebürtige Villacher Walter Oblin (55) als Generaldirektor der Österreichischen Post AG Georg Pölzl (67) ab. Der Steirer wird dann genau 15 Jahre Vorstandsvorsitzende der Post gewesen sein. Dann bekommen 20.000 Mitarbeiter in Österreich, fast 30.000 konzernweit, einen neuen Chef. Oblin selbst sieht sich als „Postler aus Leidenschaft“. Er übernehme die Aufgabe „mit einer guten Mischung aus Demut, Respekt, aber auch Zuversicht und Selbstvertrauen“.
Die Post werde aufgrund ihrer staatlichen Vergangenheit von außen noch immer etwas unterschätzt, meint Oblin, habe sich aber in den letzten 15 Jahren zu einem modernen und innovativen Dienstleister gewandelt. Man bewege sich zwar in seinem schwierigen Markt, das angestammte Geschäft der Post, die Briefzustellung, gehe seit 2008 kontinuierlich zurück: „Trotzdem ist es gelungen, das Geschäft der Briefzustellung, mit Werbepost und Medien mit hoher Qualität relevant zu halten.“ Mehr als die Hälfte des Briefgeschäfts ging verloren, im Umsatz blieb das Geschäft aber in etwa stabil.
Eine Milliarde in den Paket-Ausbau
Große Wachstumschance sei nach wie vor die Paketzustellung: „E-Commerce ist ein Megatrend, der noch eine Zeitlang das Wachstum im Paketgeschäft vorantreiben wird“, sagt Oblin. Selbst reife Märkte würden noch wachsen, neue Segmente kämen dazu, etwa die Zustellung von Lebensmitteln. Dieses Geschäft hätte etwa in den USA und in UK eine viel größere Durchdringung, „bei uns ist das noch gar nicht entwickelt“. In diesen beiden Märkten, aber auch in China sei das Paketgeschäft – gemessen an Paketen pro Kopf – schon viel weiter vorangeschritten als bei uns. Eine Milliarde Euro investierte die Post daher in den letzten Jahren in den Ausbau ihrer Logistikzentren, Kärnten und Salzburg stünden noch für einen nächsten Ausbauschritt an, so Oblin.
„Drehen jeden Stein um“
Im Ausland sei die Türkei mit Aras Kargo der „Brückenkopf“ der Post in weitere Märkte. Bereits jetzt decke man als Österreichische Post einen geografischen Raum mit 150 Millionen Einwohnern ab. So werde man im Paketgeschäft für die großen Onlineplattformen relevant. „Die Strategie der internationalen Expansion muss weitergehen“, sagt Oblin, „auch um uns gegenüber den internationalen Anbietern noch stärker zu positionieren“. Die Türkei sei „absolut eine Perle in unserem Portfolio, ein Wachstumstreiber und hochprofitabel“ – trotz herausfordernder makroökonomischer Bedingungen wie der extrem hohen Inflation. Der strategische Fokus auf „Osteuropa und Türkei plus“ – „Plus“ steht etwa für den Markteintritt in Aserbaidschan – biete Chancen, die man sich als „mittelgroßes Logistikunternehmen“ erschließen könne: „Wir drehen da regelmäßig jeden Stein um und schauen, ob wir etwas finden.“
„Im Schlapfenradius“
Wachstum bleibe daher ganz oben auf der Agenda, die Post konnte aber auch organisch im ersten und auch im zweiten Quartal umsatzmäßig zweistellig zulegen. „Allein, wenn wir die Pakete, die wir in Österreich pro Kopf zustellen, auf unsere anderen Märkte umlegen, sehen wir schon riesiges Wachstumspotenzial.“
Potenziale zu heben gelte es auch für den Heimmarkt: Poststationen, die rund um die Uhr in Betrieb sind, sollen weiter forciert werden. Der Großteil der Postleistungen sei SB-fähig, so Oblin. Rund 700 solcher Selbstbedienungsstationen seien bereits im Feld, bis Ende nächsten Jahres sollen über 1000 weitere SB-Stationen zur Abgabe und Aufgabe von Post österreichweit errichtet werden. „Ziel ist eine Poststation im Schlapfenradius von Herrn und Frau Österreicher.“
Moralische Bewertung schwierig
Das Wehklagen des Handels über die krasse Ungleichbehandlung mit chinesischen Anbietern wie Shein und Temu beschäftigt auch Oblin, obwohl die Post ein Profiteur der Paketflut aus China ist: „Wir sehen es nicht nur positiv, dass es da eine Handvoll Giganten gibt, die E-Commerce in Europa beherrschen.“ Große Kunden mit ebensolcher Marktmacht seien eben schwierige Kunden. Die Politik sei gefordert, gleiche Voraussetzungen für alle zu schaffen. Der Handel gerate zunehmend „in eine Zange“ der Riesen aus den USA (Amazon) und China (Alibaba, Shein und Temu). Aber auch die Post sieht sich zunehmend von Überregulierung behindert: „Jedes halbe Jahr kommen aus Brüssel Bürokratietiger daher, die teilweise gut gemeint, aber arbeitsaufwendig und in der Exekution schlecht gemacht sind.“ Diese Bürokratie schwäche Europa im Wettbewerb gegen Konkurrenten außerhalb der EU. Andererseits plädiert Oblin zu differenzierter Betrachtung: Wohlstand fuße auf Arbeitsteilung, eine moralische Bewertung von Billigwaren-Bestellungen aus China sei zudem schwierig.
„Sehr gute Akzeptanz“
In der Post-eigenen Plattform „shöpping“ sieht Oblin eine Initiative zur Unterstützung von E-Commerce in Österreich. Rund 1000 Händler böten auf „shöpping“ ihre Produkte an. „Die Zielsetzung war nie, eine Konkurrenz der großen Internetplattformen zu werden.“ Mit der „bank99“ sei man „auf einem sehr guten Weg“. Eine Retailbank habe im Ökosystem einer Post gute Chancen, das zeigten Beispiele in Italien, der Schweiz oder Portugal. Die Etablierung einer solchen Bank sei im kompetitiven Bankenmarkt wie Österreich zwar herausfordernd, mit 290.000 Kunden und 3,7 Milliarden Euro Bilanzsumme sehe man aber viereinhalb Jahre nach der Gründung „sehr gute Akzeptanz“.
Die Post verstehe sich auch als Technologieunternehmen, die Durchdringung mit IT sei hoch, 1000 IT-Spezialisten sind im Post-Konzern beschäftigt. Man strebe „technologische Führerschaft“ an, sagt Oblin, dabei gehe es um Digitalisierung, KI, Robotik, aber auch autonom fahrende Fahrzeuge. An die Drohnenzustellung glaubt er nicht, aber eine selbstfahrende Paketstation könnte einmal Realität werden.
Massive Mehrkosten
Mit Nachdruck plädiert Oblin für Reformen in Österreich, Leistung müsse sich wieder lohnen. Trotz rezessionsbedingtem Anstieg der Arbeitslosigkeit fehlten viele Arbeitskräfte. „Es braucht mehr Anreize, zu arbeiten, von Teilzeit in Vollzeit zu gehen bzw. später die Pension anzutreten. Und wir brauchen einen kontrollierten Zuzug gut ausgebildeter Menschen.“ Die Gefahr, dass sich Österreich In einem hoch kompetitiven Umfeld beim Faktor Arbeit „hinauspreise“, sei groß, warnt Oblin. Die Personalkosten der Post für 20.000 Beschäftigte in Österreich lagen zuletzt bei rund einer Milliarde Euro. Drei KV-Abschlüsse brachten einmal 4 Prozent, einmal 10 Prozent und heuer 6,45 Prozent Lohnzuwachs. In Summe ein um rund 23 Prozent höherer Personalaufwand, rechnerisch Mehrkosten von 230 Millionen Euro in nur drei Jahren.