„Was ist nur an den Börsen los?“ Diese Frage begleitet uns schon länger, wenn auch mit gänzlich unterschiedlicher Stoßrichtung. Basierte bis vor wenigen Wochen der Hintergrund dieser Frage auf dem Umstand, dass an vielen Aktienmärkten – trotz trüber globaler Konjunktur und nur zaghafter Zinssenkungen – Rekord um Rekord gebrochen wurde, haben sich die Vorzeichen nun gekehrt. Insbesondere seit Ende der vergangenen Woche rasseln die Kurse massiv nach unten, das hat sich in der neuen Handelswoche fortgesetzt. In Japan verbuchte der Leitindex Nikkei mit minus 12,4 Prozent, „das ist der größte Punkteverlust in der Geschichte und der höchste seit dem „Schwarzen Montag“ 1987“, betont der Börsenexperte Josef Obergantschnig. Das heißt auch: Nicht einmal in der globalen Finanzkrise gab es vergleichbar heftige Tagesverluste. Auch für den Nikkei-Index gilt freilich: Bis vor Kurzem war er auf einer beispiellosen Rekordjagd. Noch am 11. Juli markierte der Nikkei mit mehr als 42.200 Punkten ein Rekordhoch – gestern stand der Index bei nicht einmal 31.500 Punkten. „Vom Höchststand am 11. Juli hat der Nikkei-225 bereits mehr als 25 Prozent verloren“, so Obergantschnig. Auch die europäischen Börsen knüpften fast nahtlos an die Verluste Ende der Vorwoche an, „sie konnten sich dem Abwärtstrend nicht entziehen“.

Der Wendepunkt

Der vergangene Freitag gilt nun als „Wendepunkt, die USA waren bisher schließlich der Motor einer vor sich dahintümpelnden Weltwirtschaft“, so Josef Obergantschnig. Noch am Mittwoch hatte die US-Notenbank Fed so gehandelt, wie es erwartet worden war: Die Leitzinsen (derzeit in der Spanne zwischen 5,25 und 5,5 Prozent) wurden nicht gesenkt, eine Lockerung aber für September zumindest nicht ausgeschlossen. Es folgten Hiobsbotschaften von der US-Konjunktur, die in ihrer Wucht überraschend gekommen sind. Der Arbeitsmarkt hat sich im Juli deutlich abgekühlt, was die Sorge nährt, ob die Fed mit Zinssenkungen nicht zu spät dran ist. Der Mix aus Rezessionsängsten, der zuletzt rapide nachlassenden Euphorie rund um Technologie-Aktien und die globale Konjunkturschwäche – von der europäischen Industrie bis zur Flaute in China – sowie die geopolitischen Risiken, hier vor allem im Nahen Osten, bilden jenen Mix, der an den Aktienmärkten zu Verwerfungen führt.

„Pendel schwankt zwischen den Extremen“

Ist das eine Momentaufnahme, eine unvermeidliche Korrektur nach den Zuwächsen der jüngeren Vergangenheit? Oder bahnt sich da ein größerer und längerfristiger Ausverkauf an? Obergantschnig: „An den Börsen ist es wie beim Skifahren. Rauf geht es langsam per Gondel oder Sessellift, runter – zumindest für einen gelernten Österreich – rasant und schnell.“ Als Aktieninvestor erlebe man derlei Phasen jedoch immer wieder. „Es gibt sowohl regelmäßig Übertreibungen nach oben aber auch Übertreibungen nach unten. Das Pendel schwankt zwischen den Extremen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt“. Obergantschnig: „Jetzt gilt es einmal einen Boden zu finden, sich zu schütteln und wieder neuen Mut zu fassen.“ In den kommenden Monaten werden aus seiner Sicht folgende Aspekte auch für die Börsen entscheidende Bedeutung haben. Zum einen die US-Wahlen im November, historisch gesehen, gelten US-Wahljahre als gute Börsenjahre. Auch die weitere Geldpolitik der Notenbanken sei entscheidend – und damit verbunden auch die weitere gesamtwirtschaftliche Entwicklung, so Obergantschnig.

Was sollten Anlegerinnen und Anleger nun beachten? „Mir hilft in diesen schweren Stunden ein Grundsatz: Erfolgreiche Investoren ziehen ihre Strategie über einen längeren Zeitraum konsequent durch. Und wenn mein Horizont ein paar Jahrzehnte in die Zukunft reicht, wird am Ende des Tages der „Schwarze Montag“ 2024 eine Randnotiz sein“, empfiehlt Obergantschnig einen langfristigen Blick.