Aktuell sind in Österreich branchenübergreifend 220 Unternehmen durch das unabhängige Wirtschaftsnetzwerk „Leitbetriebe Austria“ als Leitbetriebe zertifiziert, was sich als Auszeichnung für nachhaltigen Unternehmenserfolg und Innovationskraft versteht. Monica Rintersbacher weiß als Geschäftsführerin des Netzwerks, welche Themen die österreichische Betriebe derzeit am meisten beschäftigen. Nachhaltigkeit steht, wie sie sagt, im Ranking nicht ganz so weit oben, wie man vermuten möchte. Beschäftigung und Digitalisierung hingegen schon - oder Security und Künstliche Intelligenz. Zur KI gebe es aber Mythen wie „Ohne KI ist man kein gutes Unternehmen.“ Dabei brauche es vorrangig einfach die Digitalisierung. „Hinzu kommt, dass Betriebe darüber klagen, keine geeigneten Arbeitskräfte zu finden und dass sich die Einstellung zur Arbeit geändert hat – und das alles in einem Sozialsystem, in dem alle einen Beitrag leisten müssen.“
Arbeiten nicht nur für Geld
Lösungsansätze soll die Initiative „Neue Welt der Arbeit“ liefern, in der Leitbetriebe Austria mit wissenschaftlicher Begleitung der Wirtschaftsuniversität Wien bis zum Jahresende in Fokusgruppen mehrere Themen beleuchtet. Zu den Fragen, ob sich Leistung lohnt bzw. was Arbeitsanreize sind und wie sich Beruf und Privatleben vereinen lassen, liegen bereits die Ergebnisse vor. Finanzielle Anreize kurbeln die Leistungsbereitschaft demnach zwar weiterhin an, haben aber ihre Grenzen – und nicht-monetäre Anreize gewinnen an Bedeutung. Zu Sinn und Wertstiftung durch die berufliche Tätigkeit erklärt Rintersbacher: „Es geht weniger darum, dass ein Job sinnlos ist, sondern dass das Ziel der Arbeit nicht klar ist und die Wertschätzung fehlt, weil die Leistung nicht klar definiert ist. Das ist für Betriebe aber leicht änderbar.“
Das Gebot der Stunde müssen, so die Analyse, flexible Arbeitsmodelle mit Erfolgs-, Leistungs- und Ergebnisorientierung sein. „Hier fehlt es aber oft an den politischen Rahmenbedingungen“, wie Rintersbacher betont.
Mentale Gesundheit
Geht es um den beruflichen und privaten Einklang, entpuppt sich die mentale Gesundheit als großes Überthema. Chancen liegen, so der vorliegende Fokusgruppenbericht, etwa in der professionellen Gestaltung flexibler Arbeitsmodelle und der gezielten Unterstützung von Familien sowie in der damit verbundenen Weiterentwicklung der Unternehmenskultur. Konkrete Vorschläge für die Unterstützung von Familien: maßgeschneiderte Lösungen für die Kinderbetreuung und Betriebskindergarten, proaktive Karenzrückkehr-Gespräche und flexible Arbeitsmodelle, Familienberatung für Mitarbeitende und die Schaffung einer Unternehmenskultur, die Werk-Family-Balance wertschätzt.
Eine Lösung für gut organisierte Flexibilität wäre etwa eine Professionalisierung von Home-Office-Richtlinien samt einer Anpassung der Führungsstrukturen. Generell erfordert Flexibilität, wie der Bericht betont, solidarische Prinzipien und klare Regeln. Eine Bewertung von Leistung anhand von Ergebnissen statt von Präsenz wäre vorteilhaft.
Auch eine Arbeitszeitreduktion, insbesondere das Modell der Vier-Tage-Woche, könnte zu einer besseren Work-Life-Balance und zur Stärkung der Arbeitsmoral führen. Die Analyse von „Leitbetriebe Austria“ weist allerdings darauf hin, dass die langfristigen Auswirkungen unklar sind: „Es bleiben offene Probleme im Hinblick auf die Leistungserbringung.“ Die Abwägung der Vor- und Nachteile einer solchen Maßnahme bedürfe weiterer Evaluierung auf branchen- und betriebsspezifischer Ebene.
Nutzen bezifferbar
Im Jahr 2021 konzentrierte sich eine Studie auf britische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf ihre psychische Gesundheit. Die Studie zeigt, wie es bei Leitbetriebe Austria heißt, dass Investitionen in das psychische Wohlbefinden der Beschäftigten durch Maßnahmen sie Screenings, Schulungen und persönliche Therapien eine Rendite von 53 britischen Pfund für jedes investierte Pfund bringen könnte. Im Bericht der Fokusgruppe werden im Zusammenhang mit der Flexibilisierung auch weniger Krankenstand und eine erhöhte Mitarbeiterbindung als positive Effekte aufgeführt.