Urgency Culture, Dringlichkeitskultur, nennt man unsere Lebensweise in Zeiten von Internet und Echtzeitkommunikation. Alles hat Priorität, alles muss sofort passieren. Es gibt leidenschaftliche Dringlichkeitsmenschen, die nicht können ohne stündliche E-Mail-Checks, ohne das Handy in der Hand.
Oh, die nächste Nachricht!
„Wenn was ist, ruf mich an“: Mit diesen Worten verabschieden sie sich gerne in den Urlaub. Gut ein Drittel der österreichischen Arbeitnehmer ist einer karriere.at-Umfrage zufolge immer für die Arbeit erreichbar. Eine EU-Studie ergab, dass in Österreich vier von zehn Arbeitnehmern in ihrer Freizeit schon einmal vom Arbeitgeber kontaktiert worden sind.
Rechtlich gedeckt ist das keineswegs. „Beschäftigte haben ein Recht auf Erholung. Arbeitgeber sollten klare Vertretungslösungen und unternehmensinterne Erreichbarkeiten schaffen, damit der verdienten Ruhephase nichts im Wege steht“, heißt es von der Arbeiterkammer.
Auch „minimale“ Arbeitsleistungen sind Arbeitszeit. „Arbeitgeber dürfen ihre Mitarbeiter, die sich im Urlaub oder Zeitausgleich befinden, in der Regel nicht kontaktieren. Wird der Urlaub durch ein dienstliches Telefonat oder eine E-Mail unterbrochen, gilt das als Arbeitszeit und darf nicht vom Urlaubskonto abgezogen werden“, erklärt Maximilian Turrini, Leiter der Abteilung Arbeits- und Sozialrecht in der AK Kärnten. Auch der Besitz eines Diensthandys verpflichtet Arbeitnehmer nicht dazu, in ihrer Freizeit erreichbar zu sein. Man muss es im Urlaub weder mitnehmen noch einschalten. „Während des Urlaubs ist das Abschalten des Diensthandys nicht nur erlaubt, sondern oft eine Grundvoraussetzung, um den Erholungswert, den auch der Gesetzgeber fordert, zu erreichen.“ Vom ÖGB heißt es: „Nein, ich muss nicht abheben, wenn der Chef mich in der Freizeit anruft.“
Liest ein Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeiten freiwillig seine E-Mails, zählt das nicht als Arbeitszeit. „Sobald man aber im Auftrag des Arbeitgebers Leistungen erbringen muss und sei es, regelmäßig das E-Mail-Postfach anzusehen oder Mails zu löschen, hat man eine Arbeitsleistung erbracht - und die Zeit, in der man das machen muss, wäre keine Urlaubszeit“, sagt Turrini. Wer von seinem Arbeitgeber Anrufe im Urlaub bekommt, sollte das laut Turrini genau dokumentieren. Wer während eines Urlaubstages zur Arbeit gerufen wird, muss – auch wenn er nur einige Stunden arbeitet – für den ganzen Arbeitstag entlohnt werden. Der Arbeiterkammer ist die derzeitige Gesetzeslage aber nicht genug. Sie fordert ein Gesetz, das das Recht auf Nichterreichbarkeit eindeutig festlegt, ein explizites Recht auf Nichterreichbarkeit also.
Soweit, so arbeitsrechtlich. Ohne Selbstdisziplin geht es aber auch nicht. Das Gefühl (das Verlangen?), dauernd erreichbar sein zu müssen, um nichts zu verpassen, sollte man als Arbeitnehmer versuchen, abzulegen.
Eine Ausnahme stellt die sogenannte Rufbereitschaft dar. „Rufbereitschaft darf außerhalb der Arbeitszeit an zehn Tagen pro Monat vereinbart werden. Und sie darf nur während maximal zweier wöchentlicher Ruhezeiten pro Monat vereinbart werden. Kommt es während einer Rufbereitschaft zu einem tatsächlichen Einsatz, ist sowohl die Wegzeit als auch die tatsächliche Arbeitsleistung als Arbeitszeit zu werten“, erklärt der AK-Jurist.
Und natürlich darf Rufbereitschaft nicht als Urlaub gewertet werden.