Rasche Expansion, hohe Kredite und eine schwache Baukonjunktur sind ein toxisches Saatgut, das Deutschlands größten Agrar- und Baustoffhändler, die Münchner BayWa, in arge Turbulenzen gebracht hat. „In Zeiten steigender Zinsen sieht das 1923 gegründete Unternehmen aus wie ein Kartenhaus im Sturm“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Der Kurs des genossenschaftlich geprägten Unternehmens, dessen Aktien an der Frankfurter Börse notieren, stürzte um bis zu 40 Prozent ab. Innerhalb eines Jahres verloren die Aktien bis 19. Juli gut 68 Prozent an Wert. Vorstandschef Marcus Pöllinger hat ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben. Auch ein Restrukturierungsberater wurde eingesetzt.
Es gilt, eine Fortführungsstrategie zu erstellen, denn die Finanzierungslage des international tätigen Konzerns mit 24.000 Mitarbeitern, an dem auch viele Landwirte beteiligt sind, ist kritisch. Der Umsatz fiel um elf Prozent auf knapp 24 Milliarden Euro. Im Vorjahr fuhr die BayWa (vormals Bayerische Warenvermittlung) zum ersten Mal in ihrer über 100-jährigen Geschichte einen Verlust ein - von 93 Millionen Euro.
Im heurigen Jahr ging es weiter bergab. Der Schuldenstand muss um hunderte Millionen Euro gedrosselt werden, um den Zinsaufwand zu drosseln. Landwirte, die Getreidevorkontrakte mit der BayWa geschlossen haben, befürchten gar, dass ihre Ernte nicht mehr vergütet wird.
Ende 2023 hatte der Konzern Nettoschulden von mehr als fünf Milliarden Euro, denn die BayWa hat ihre weltweite Expansion mit Krediten finanziert und der Zinsanstieg führt nun zu hohen Belastungen. Die Erneuerbare-Energien-Tochter der BayWa, die Solar- und Windparks entwickelt, ist in der Niedrigzinsphase stark gewachsen. Die Sparte soll oder muss jetzt verkauft werden. Am Dienstag musste die Finanzchefin dieser Solar-Tochter, Mihaela Seidl, ihren Hut nehmen. Dann der starke Preisverfall im Handel mit Solarpaneelen. Auch hat sich der Konzern zuletzt immer weiter von seinen Wurzeln entfernt. So wurde die BayWa Mehrheitseigentümerin des großen neuseeländischen Apfelanbauers Turners&Growers, der bis China exportiert.
Ungute Entwicklungen, die sich auch in Österreich auswachsen könnten. Die BayWa und der österreichische Raiffeisen-Sektor sind eng miteinander verbunden. Die BayWa hält 47,5 Prozent an der Korneuburger Raiffeisen Ware Austria (RWA), der Dachorganisation der 70 Lagerhaus-Genossenschaften. Die Wiener Raiffeisen Agrar Invest AG wiederum ist mit 28,3 Prozent an der Baywa beteiligt. Die BayWa soll Kredite bei Banken des österreichischen Raiffeisen-Sektors haben. Und die BayWa ist - mit einer 51-Prozent-Beteiligung - Muttergesellschaft der Unser Lagerhaus WHG mit Sitz in Klagenfurt und 1200 Mitarbeitern.
Besteht also die Gefahr, dass die roten Zahlen aus Bayern nach Kärnten ausstrahlen? „Die Unser Lagerhaus WHG ist komplett eigenständig und unabhängig. Zwar ist die BayWa beteiligt, aber es gibt kein Cash Building. Wir sind völlig gesund. Wir haben keinen Liquiditätsengpass. Und die Tatsache, dass wir mit 30 Prozent Eigenkapital ausgestattet sind, gibt uns Kraft“, kann Hubert Schenk, Sprecher der Unser Lagerhaus-Geschäftsführung, etwaige nervöse Kunden beruhigen.
Natürlich seien die Zeiten herausfordernd. Auch Unser Lagerhaus spürt die Flaute am Bau, die Kaufzurückhaltung der Konsumenten bzw. der Landwirte. „Aber wir sind auf einem guten Kurs. Nehmen eine positive Entwicklung und schreiben schwarze Zahlen“, sagt Schenk.