Angesichts der schwächelnden Wirtschaft hat Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Mittwoch zu einem Wirtschaftsgipfel ins Bundeskanzleramt geladen. Nach Beratungen mit Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer und dem Präsidenten der Industriellenvereinigung Georg Knill sprach Nehammer von einem „Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Industrie“.

Der Staat habe „sehr stark geholfen in Zeiten der Krise“, sagte Nehammer. Jetzt sei es aber an der Zeit, dass er sich „sorgfältig, bedachtsam, aber konstant“ wieder zurückziehe und „freies Wirtschaftswachstum wieder in den Mittelpunkt“ rücke. Der gemeinsam erarbeitete „Wachstumsplan für Österreich“ umfasse vier Punkte: mehr qualifizierte Arbeitskräfte, weniger Bürokratie, eine Reform des Steuer- und Abgabensystems (Steuersenkungen, Senkungen der Lohnnebenkosten) sowie ein Nein zur Erbschafts- und Vermögenssteuer.

„Keinesfalls am Sozialstaat rütteln“

Konkret sollten unter anderem die Steuern auf Überstunden gestrichen und die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Letzteres sei „wahrscheinlich die wichtigste Maßnahme, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken“, betonte Knill. Ferner müssen laut dem Wachstumsplan Vollzeitarbeit attraktiver gestaltet und Arbeiten in der Pension erleichtert werden. Es solle „keinesfalls“ am Sozialstaat gerüttelt werden, so Knill, es gehe um „Erleichterungen bei der Arbeit“.

Mahrer trat besonders für die Vereinfachung der Arbeitserlaubnis für Drittstaatsangehörige, der sogenannten Rot-Weiß-Rot-Karte, ein. Außerdem sollte der Arbeitsmarktzugang für Menschen aus den Ländern des Westbalkans erleichtert werden. Als wichtigster Unterstützer dieser Staaten für den EU-Beitritt sei es nur „logisch“, dass die qualifizierten Arbeitskräfte von dort auch in Österreich bleiben, so der Wirtschaftskammerpräsident.

Vorbild USA

„Die Bürokratiewalze rollt und rollt und rollt uns nieder“, sagte Mahrer weiter. Er sprach sich gegen die Übererfüllung von EU-Mindeststandards („Gold Plating“) aus und forderte ein Programm ähnlich dem sogenannten Inflation Reduction Act, ein mehrere hundert Milliarden schweres Subventionsprogramm in den USA.

Nach Ansicht von IV-Präsident Knill braucht es ferner eine Stärkung des Kapitalmarkts sowie des Exports. „Österreich ist ein Exportland“, so der Industrielle. Deutschland als wichtigster Handelspartner Österreichs müsse „wieder auf die Spur“ kommen und fairer Handel - auch mit China - möglich sein. Zudem seien Investitionen in jegliche Infrastruktur - Digitalisierung, Verkehr und Energie - notwendig. So brauche es etwa „schnelle Genehmigungsverfahren“ beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung stehen laut Nehammer ebenfalls auf dem Plan.

Warnungen aus Arbeitnehmersicht

Kritik kam auch aus der Arbeiterkammer (AK) und vom Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB). Ihrer Ansicht nach beinhaltet der Plan nichts Neues - „und nichts, das unser Land sozial gerechter machen wird“, so AK-Präsidentin Renate Anderl. Auch sei „der Fokus auf Arbeitskosten als negativer Standortfaktor verfehlt“, erklärte Helene Schuberth vom ÖGB. Das gewerkschaftsnahe Momentum Institut warnt unterdessen: „Kürzt die Regierung nun weiter die Lohnnebenleistungen, profitieren davon ausschließlich die Arbeitgebenden.“

Positiv zu dem „Wachstumsplan“ äußerte sich der Wirtschaftsbund. „Besonders erfreulich ist, dass so viele Forderungen des Wirtschaftsbundes Eingang in das Paket gefunden haben“, hieß es in einer Aussendung mit Blick auf die Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel. Anders die Position von PRO-GE-Vorsitzendem Reinhold Binder: Bedenklich sei, dass kein Wort über Ausbildungsfragen verloren wurde, stattdessen „kommt der Verdacht auf, dass man der Industrie möglichst rasch billige Arbeitskräfte zur Verfügung stellen möchte“.