15 Zentimeter Abstand zwischen Handykamera und Hautbereich herstellen, Auslöser betätigen – und anschließend der Künstlichen Intelligenz (KI) vertrauen. Das Prinzip der App SkinScreener ist simpel, die unsichtbare Technologie im Hintergrund arbeitet umso komplexer. „Hautveränderungen einfach und präzise von zu Hause aus zu überprüfen“ fasst das Grazer Start-up medaia, Entwickler und Vorantreiber von SkinScreener, die Funktionsweise der App zusammen.

Primär geht es bei der als Medizinprodukt zertifizierten Anwendung freilich um die Erkennung von bösartigen Hautveränderungen. Deswegen versteht sich SkinScreener auch als ein „Tool zur frühzeitigen Erkennung von Hautkrebs“.

„95 Prozent“ Genauigkeit

Per KI werden Größe, Farbe und Form von Muttermalen, Sommersprossen oder anderen Hautflecken erkannt und bewertet. Fällt das ermittelte Risiko „niedrig“ aus, wird nur eine regelmäßige Beobachtung der Hautveränderung empfohlen. Bei „mittlerem“ oder gar „hohem Risiko“ sollten so bald wie möglich eine Hautärztin oder ein Hautarzt aufgesucht werden. Der Algorithmus für die Risikoabschätzung wurde in Zusammenarbeit mit der MedUni Graz entwickelt und getestet. medaia verspricht bei der Erkennung von Hautkrebs eine Genauigkeitsrate von „95 Prozent“. Gezeigt habe sich diese bei einer klinischen Studie, mehr als 600 Bilder von echten Patientinnen und Patienten wurden dabei ausgewertet.

medaia-Spitze Michael Trippolt und Albin Skasa
medaia-Spitze Michael Trippolt und Albin Skasa © medaia

Das Licht des Marktes erblickte die Anwendung Ende 2020 und nach drei Jahren Entwicklungszeit. Heute verweist medaia-Chef Albin Skasa im Gespräch mit der Kleinen Zeitung auf knapp „800.000 erfolgte Scans“ und mehr als 270.000 Downloads. Neben der eigenen App, bezahlt wird per Jahresabo, forciert medaia auch die Integration der Technologie in bestehende Anwendungen. So wurde eine Kooperation mit der Merkur Versicherung geschnürt, mittlerweile ist das „Pilotprojekt in den Regelbetrieb überführt“, sagt Skasa. Mittlerweile ist SkinScreener in neun Ländern aktiv, seit Dienstag in der Schweiz. Noch heuer sollen Neuseeland oder die Benelux-Staaten folgen.

Besonders präsent sind die Grazer und ihre Anwendung bald auch in Portugal. Dort konnte das Team um Skasa und Michael Trippolt nämlich das Gesundheitsministerium als gewichtigen Kunden auftun. SkinScreener-Technologie wird in dessen digitale Plattform SNS24 integriert, bis Ende des Jahres soll die Umsetzung abgeschlossen sein. Portugiesinnen und Portugiesen können dann nicht nur Hautveränderungen scannen, sondern werden nach auffälligen Aufnahmen auch gleich per Callcenter an passende Fachärzte vermittelt.

Nach dem Scan folgt die Risikoeinschätzung per KI
Nach dem Scan folgt die Risikoeinschätzung per KI © medaia

Kein Kurz, dafür Crowdfunding

Übrigens: Veränderung gibt es bei medaia nicht nur auf Seite der Märkte, sondern auch bei den Eigentümern. Mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz ist ein besonders prominenter ab sofort nicht mehr an Bord. „Der zunehmend mediale Fokus auf seine Person anstatt auf das Produkt war nicht hilfreich“, heißt es vom Start-up. Deswegen habe Kurz, der stets nur geringe Anteile besaß, „im Einvernehmen mit den Gesellschaftern“ beschlossen, „sich anderen Projekten zu widmen.“

Bei medaia selbst ist der Fokus weiter klar auf Wachstum gerichtet. Um dies – und auch die technologische Weiterentwicklung – bewerkstelligen zu können, startet das Unternehmen am Mittwoch eine Crowdfunding-Kampagne. Investieren können Interessierte über die Plattform „Rockets“.