Nichts geht mehr. So heiß die politische Debatte um eine Neugestaltung der Bildungskarenz zunächst geführt wurde, so sanft ist sie wieder entschlummert. „Der Koalitionspartner hat den vorliegenden Vorschlag, der gemeinsam mit den Sozialpartnern abgestimmt wurde, abgelehnt“, heißt es auf Nachfrage aus dem ÖVP-geführten Arbeitsministerium. Dort sei man zwar „offen für weitere Gespräche“, es gäbe aber „keine Verhandlungsrunden“. Bei den Grünen wiederum hieß es zuletzt, dass die ÖVP auf eigene Vorschläge schlichtweg „nicht reagiert“ hätte. Kurzum: Vor der Nationalratswahl, die am 29. September stattfinden wird, passiert in Sachen Bildungskarenz wohl nichts mehr.
Vorwurf: nicht treffsicher
Dabei wiegen die Vorwürfe gegen das Instrument schwer: Der wirtschaftsliberale Thinktank „Agenda Austria“ errechnete schon im Vorjahr, dass alleine zwischen 2019 und 2023 die Ausgaben für das sogenannte Weiterbildungsgeld, das man in Bildungskarenz ausbezahlt bekommt, von knapp 214 Millionen auf mehr als 510 Millionen Euro gestiegen seien. Außerdem verfehle man das eigentliche Ziel, weil vor allem Personen mit höherer Bildung in Bildungskarenz gehen würden. 74 Prozent der Personen in Bildungskarenz sind Frauen. 18.000 Frauen standen im zweiten Quartal 2023 nur etwas mehr als 4000 Männern mit Bildungskarenz gegenüber. Die Hälfte davon entschied sich unmittelbar nach der Elternkarenz dafür.
Fehlende Treffsicherheit kritisierte auch der Rechnungshof, der 2023 feststellte, dass es „Reformbedarf“ gebe. Das Gesetz definiere die Art der Weiterbildungsmaßnahme nicht und enthalte geringe inhaltliche Anforderungen. Das AMS verlange bei Studien zwar Leistungsnachweise über den Studienerfolg, bei Kursen allerdings nicht standardmäßig eine Teilnahmebestätigung. Ein Nicht-Nachweis führte in der Praxis nur in Ausnahmefällen zu Rückforderungen von Weiterbildungsgeldern.
Online-Kurs wurde zum Problem
Genau darum kochte das Thema jetzt aber wieder auf: Eine Niederösterreicherin bekam die Aufforderung, über 12.000 Euro zurückzuzahlen, wie der ORF berichtete. Geld, das sie für die Bildungskarenz vom AMS erhielt. Das „Delikt“: Die Krankenschwester entschied sich für eine Bildungskarenz nach der Elternkarenz. Ein gängiger Weg, der prinzipiell nur der Zustimmung des Arbeitgebers bedarf. Dieser stellt einen dann für die Weiterbildung frei. Im Falle der Niederösterreicherin waren das eine Ausbildung zur Mentaltrainerin und ein Online-Kinesiologiekurs.
Die Krux: Das AMS bestätigte zwar zunächst, dass die Weiterbildung in Rechnung gestellt werden könnte, die Frau konnte auch die Zertifikate nachweisen. Aber bei einer stichprobenartigen Überprüfung fiel nach dem Ende der Weiterbildung auf, dass das Programm des Anbieters in Details nicht den Vorgaben des AMS entsprach.
„Seminaristische“ Anteile fehlten
Laut AMS habe es etwa nicht genügend „seminaristische“ Anteile beim Online-Kurs gegeben. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass das Kursinstitut „Blanko-Anmeldebestätigungen mit Stempel ausgegeben hat und sich die Kundinnen alles andere selber ausfüllen konnten“, wie das AMS gegenüber dem ORF betont. Seit ein paar Monaten werden von diesem Institut deswegen keine Kurse mehr bewilligt. Zugleich wird die Ausbildung im Falle der Niederösterreicherin rückwirkend vom AMS nun doch nicht anerkannt. Rund 50 Personen sollen davon betroffen sein, viele davon junge Mütter. Die Bildungseinrichtung selbst zeigt sich wiederum überzeugt, dass der Fehler beim AMS liege. In der Steiermark und in Kärnten ist eine Häufung von derlei Nachzahlungen nicht bekannt.
„Bei der Wahl des Weiterbildungskurses raten wir dringend zur Vorsicht“, heißt es jedenfalls von der Arbeiterkammer via „Standard“. Schon vor dem Antritt solle man sich „genau informieren“ und anschließend „gut dokumentieren, was man während der Weiterbildung alles machen musste, also Seminare, schriftliche Prüfungen und vieles mehr“.