Das ist nichts für schwache Nerven: 700.000 Pakete stellt die österreichische Post täglich zu, an Spitzentagen vor Weihnachten können es auch 1,3 Millionen sein. Getrieben durch den Onlinehandel hat sich das Aufkommen zuletzt in 15 Jahren vervierfacht.
„Und trotzdem ist der adressierte Brief noch immer unser Haupt- und Kerngeschäft“, sagt der oberste Postmeister des Landes. Der Grazer Georg Pölzl, studierter Erdölfachmann und gelernter Unternehmensberater, übernahm 2009 als CEO das Ruder bei der Firma im staatlichen Mehrheitseigentum.
Per 1. Oktober wird er nun das Zepter an den Villacher Walter Oblin weitergeben. Anlass für einen exquisiten Salon-Abend der Kleinen Zeitung mit dem abtretenden Chef, der die Post ohne Rücksicht auf gelernte Empfindlichkeiten umgekrempelt hat: vom behäbigen Amt zum angeblich klimaneutralen Dienstleister, der sich mit privater Konkurrenz messen muss.
„Post hat mich nicht interessiert“
Dabei war es zu Beginn keine flammende Liebe, wie Pölzl im Gespräch mit Chefredakteur Hubert Patterer und Wirtschaftschef Manfred Neuper verriet: „Ich war ziemlich enttäuscht, dass man mir nichts anderes angeboten hat.“ Die Post habe ihn zuvor „nie wirklich interessiert“, aber dann habe er gesehen: „“Da kann man schon was machen.“
Die Widerstände gegen Veränderung waren anfangs groß. Die Vorstände verkehrten untereinander per Sie, von Teamgeist war nichts zu sehen. Als Pölzl ihnen das Du-Wort antrug, holte er sich eine Abfuhr. „Sie sagten mir, sie wollten Berufliches und Privates lieber trennen.“
Allmählich sei es gelungen, das Unternehmen von oben her „zu unterwandern“, wie der Vorstandschef sagt. Noch kurz zuvor hatte die Regierung Postamtsschließungen verboten. Pölzl pilgerte zu den Landeshauptleuten und stellte ihnen sogar mehr Postfilialen in Aussicht – aber nicht eigenbetriebene, sondern über Post-Partner. Die Reaktion reichte von Ablehnung („Das machen Sie nie. Haben S‘ schon mit der Gewerkschaft geredet?“) bis zu Verständnis. Der Steirer Franz Voves habe gesagt: „Das verstehe ich, ich muss mit den Gemeinden etwas Ähnliches tun.“
Trend zur Selbstabholung
Der Trend geht zu den Selbstabhol-Paketfächern. Deren Zahl soll sich bis Jahresende auf 200.000 verdoppeln. Pölzl: „Das mit dem Onlinehandel wird noch schlimmer, und als Post werden wir das unterstützen.“ Die Klimabilanz sei besser als beim stationären Einkauf. Da ist freilich die Überschwemmung mit chinesischer Billigware nicht einkalkuliert.
Schneller wird das Geschäft auch noch: Die Post stellt 98 Prozent der Pakete am nächsten Tag zu, aber in China ist „same day delivery“ selbstverständlich. „Amazon werden wir nicht mehr los“, sagt Pölzl über den Handelsriesen, der zugleich Auftraggeber und Konkurrent ist. Rund 50 Prozent stellt Amazon selbst zu, den Rest befördert die Post. „Es ist immer ein Kampf um jedes Paket.“
Die Zustellung ins Vorzimmer mittels intelligenter Schlösser sieht Pölzl als Chance, die Lieferung per Drohne hingegen nicht: „Das ist nicht Innovation, sondern Innovationstheater.“ Aufgrund der Masse der Pakete wäre „der Himmel schwarz“, wenn man auf diese Technik setzte.
Als schwierigste Neuerung empfand Pölzl nicht die Durchsetzung des neuen Kollektivvertrags, der eine „Ent-Beamtung“ brachte. Sondern die Gründung der „Bank 99“, als die Bawag keine Lust mehr auf Zusammenarbeit hatte. Die neue Bank sperrte just im April 2020 auf, mitten im ersten Corona-Lockdown. Sie wird mehr Kapital brauchen und später Gewinne bringen als geplant.
32-Stunden Woche? „Echter Unsinn“
Zur Politik in Österreich findet Pölzl unüblich deutliche Worte: „Herbert Kickl und Andreas Babler wären beide als Kanzler eine Katastrophe.“ Der FPÖ-Chef biete „Menschenverachtendes“ an, der SPÖ-Chef hingegen „wirtschaftlich Dummes, das kein Mensch ernst nehmen kann“. Die 32-Stunden-Arbeitswoche sei „echter Unsinn“. Den Grünen wiederum wirft Pölzl vor, unrealistische Glaubensbekenntnisse zu dreschen, etwa, dass der Energiebedarf aus Wind und Sonnenstrom gedeckt werden könne. „Es wird mit deutscher Steinkohle und französischem Atomstrom enden. So viel bin ich schon noch Ingenieur.“
Schärfste Kritik übt der Post-Boss an der EU-Bürokratie: Diese nehme „mörderische Ausmaße“ an. Es gebe etwa 1800 Kennzahlen zur „corporate social responsibility“ (CSR), die quartals- und monatsmäßig berichtet werden müssten. „Das liest kein Mensch, aber Menschen müssen es schreiben.“ Der „überbordende Schwachsinn“ sei auch teuer, die Post müsse in den nächsten Jahren die Zahl ihrer Controller von 100 auf 200 verdoppeln. „Da kommt ein Moloch auf uns zu.“
Generell sollten Menschen ihre Risiken nicht auf den Staat abschieben, sondern mehr Selbstverantwortung tragen. „Aber was man sagen muss, um eine Wahl zu gewinnen, ist meistens nicht das, was man tun müsste, damit es allen gut geht. Das ist das Brutale an der Demokratie.“