Neben der freien „Programmwahl“ galt sie in der Welt des Streamings als ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zum klassischen Fernsehen: Man blieb von nervigen Werbeunterbrechungen verschont. Doch die Streaming-Riesen Netflix, Disney und Amazon erhöhten nicht nur ihre Abopreise, als vergünstigte Alternative wurden Angebote mit Werbung eingeführt. Und diese werden immer beliebter.

Das zeigt eine neue Streaming-Studie der globale Unternehmensberatung Simon-Kucher. In Deutschland nutzt demnach bereits mehr als jeder Fünfte (22 Prozent) ein Werbe-Abo. Bei Disney+ sind es 14 Prozent und bei Netflix 20 Prozent, die sich aktiv für das Werbe-Abo entscheiden.

Ausgeklügelte Preispsychologie

Weltweit ist die Akzeptanz sogar noch höher, was besonders bei Netflix deutlich wird: Die Zahl der User, die von einem teureren Netflix-Abo zum günstigeren Werbe-Abo wechselten, stieg innerhalb eines Jahres von 42 Prozent auf 46 Prozent. Bei Disney+ sinkt sie hingegen bereits wieder von 52 Prozent auf 36 Prozent.

In Deutschland ist die Anzahl der Werbeabos bei Amazon Prime mit 23 Prozent ähnlich hoch wie bei der Konkurrenz. Das Besondere hier: User müssen für Streaming ohne Werbung einen Aufpreis zahlen. Drei von vier Prime-Kunden nutzen diese Option. „Viele sehen das Streaming-Angebot von Amazon aber als Goodie zum Versandservice in der Prime-Mitgliedschaft. Vor diesem Hintergrund wirkt der Aufschlag für das werbefreie Add-On günstig“, sagt Lisa Jäger von Simon-Kucher. Diese Strategie sei preispsychologisch clever. „Besonders bei Netflix nehmen die Werbe-Abos aber rasant zu“, erklärt Jäger. Im Vergleich zu 2023 hat sich die Anzahl verdreifacht. „Der Streaming-Riese legt eine erhebliche Entwicklung hin - auch getrieben durch den Preisdruck bei den Usern.“

Werbe-Abos mit Tricks

Ist das der Siegeszug der Werbeabos? Nicht unbedingt. „Trotz Netflixs Höhenflug muss die Rechnung, entgangene Umsätze durch weniger teurere, werbefreie Abos mit mehr Werbeeinnahmen zu kompensieren, nicht immer aufgehen“, so Jäger. Es könne sein, dass vereinzelte Abo-Angebote wieder vom Markt genommen werden. Viele Anbieter befänden sich noch in einer Test-Phase. Reine Gratis-Dienste wie Freevee weisen sogar rückläufigen Trends auf.

Die Werbeakzeptanz lässt sich aber teuern: Jeder Zweite (50 Prozent) findet, dass es das Warten in der Werbepause leichter macht, wenn man die verbleibende Werbedauer weiß. Was die Werbeplatzierung angeht, ist Pre-Stream-Werbung ohne Unterbrechungen während des Streams der Favorit unter den Usern. Je mehr Unterbrechungen es gibt, desto unbeliebter wird die Werbepause hingegen.

Kampf gegen geteilte Accounts

Die Neuausrichtung kommt nicht zufällig. Sharing-Restriktionen haben den Anteil der Account-Mitnutzer bereits auf 20 Prozent sinken lassen. Knapp die Hälfte (47 Prozent) der User, die bei Restriktionen nicht mehr Abos von Bekannten mitnutzen können, zeigen sich bereit, selbst ein Abo abzuschließen. Mit Werbe-Abos wurde bewusst ein Einstiegsprodukt geschaffen. Zusätzlichen Anreiz bietet ein Gaming-Paket: 36 Prozent der Unter-40-Jährigen würden bei integrierten Spiele-Optionen eher ein Abo abschließen.