Volkswagen stellt wegen der schwachen Nachfrage nach seinem Oberklasse-Elektroauto Audi Q8 e-tron sein Werk in Brüssel auf den Prüfstand und kappt seine Prognose. Die VW-Tochter Audi habe einen „Informations- und Konsultationsprozess“ für das Werk eingeleitet, um eine Lösung für den Standort mit etwa 3000 Mitarbeitern zu finden. „Dazu kann auch eine Einstellung des Betriebs führen, sollte keine Alternative gefunden werden“, teilte Audi am Dienstag mit.
Sollte das Aus für die Fertigungsstätte kommen, wäre es das erste Mal seit Jahrzehnten, dass Volkswagen ein Werk schließt.
Der Konzern stellt sich nun auf Zusatzbelastungen in Milliardenhöhe ein. Die operative Umsatzrendite werde mit 6,5 bis sieben Prozent um einen halben Prozentpunkt geringer ausfallen als bisher vorhergesagt, teilte Volkswagen mit. Ein Grund für die Zusatzbelastungen von bis zu 2,6 Milliarden Euro seien die Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Werk in Brüssel, die im dritten Quartal zurückgestellt würden, hieß es. Dazu kämen aber auch weitere Kosten für die geplante Schließung des MAN-Gasturbinenwerks und Währungskursverluste im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus dem Russland-Geschäft. Rückstellungen in Höhe von 0,9 Milliarden Euro für den Stellenabbau in der Verwaltung wurden bereits im zweiten Quartal verbucht. Details will das Unternehmen bei der Vorlage der Quartalszahlen am 1. August nennen.
Schwache Verkäufe des elektrischen Q8
Zu schaffen machen Audi die schwachen Verkäufe des elektrischen Q8, der nur in Brüssel gebaut wird und nun vorzeitig eingestellt werden könnte. Aus Unternehmenskreisen hieß es, das Fahrzeug könnte im Laufe des kommenden Jahres aus dem Programm genommen werden. Der Q8 e-tron ist seit 2018 auf dem Markt und das älteste Elektrofahrzeug von Audi. Inzwischen bekommt er durch die Fahrzeuge auf der neuen Premium-Plattform Konkurrenz, wie den Q6 e-tron, der mittlerweile nach jahrelanger Verzögerung auf dem Markt ist.
Wie lange es dauert, bis eine Entscheidung zu dem Werk in Brüssel getroffen ist, ließ Audi offen. Die ersten Gespräche über die Zukunft des Standorts wurden bereits geführt, weitere Verhandlungen werden folgen. „Die Verkündung der Intention ist noch keine finale Entscheidung“, sagte Werksleiter Volker Germann. Dennoch bewege die Nachricht die Belegschaft sehr. „Wichtig ist ein transparenter und konstruktiver Dialog in dem nun folgenden Prozess.“ Ein Unternehmen kann in Belgien ein Werk nicht einfach so schließen, sondern muss nach derzeitiger Rechtslage vorher über mögliche Alternativen verhandeln. Dieser auch „Renault-Verfahren“ genannte Prozess wurde Ende der 90er-Jahre eingeführt, nachdem die unerwartete Schließung eines Renault-Werkes zu Turbulenzen geführt hatte.
Betriebsräte fordern „tragfähige und nachhaltige Lösung“
Aus Betriebsratskreisen hieß es, die schwierige Situation in Brüssel sei längst ein Thema über Audi hinaus. Beim Treffen des VW-Weltkonzernbetriebsrats hätten die Betriebsräte dem Vorstand eine Solidaritätserklärung übergeben. Rita Beck, Sprecherin des Audi-Ausschusses im Europäischen VW-Konzernbetriebsrat, erklärte am Dienstag, die Arbeitnehmervertretung fordere eine zukunftsfähige Perspektive für das Werk und seine Belegschaft. „Wir hoffen, dass im Zuge der Entscheidung, im nun eingeleiteten Konsultationsprozess, eine tragfähige und nachhaltige Lösung erarbeitet wird.“
Das Werk in Brüssel gilt seit längerem als Sorgenkind in dem Konzern. Die Produktionskosten dort sind höher als an anderen Standorten, unter anderem bedingt durch die Lage im Stadtgebiet der belgischen Hauptstadt. Es wird auf der einen Seite durch Bahnanlagen begrenzt, auf der anderen Seite durch ein Wohngebiet. Ein Presswerk fehlt, sodass die Teile zugeliefert werden müssen. Auch die Logistik gilt als schwierig.