Die Europäische Zentralbank (EZB) wird aus Sicht des niederländischen Notenbankchefs Klaas Knot auf der Zinssitzung in der kommenden Woche die Füße aller Voraussicht nach stillhalten. Die Inflationsaussichten rechtfertigten eine Senkung um einen Viertelprozentpunkt nicht mehr, sagte das EZB-Ratsmitglied dem „Handelsblatt“ in einem am Montag veröffentlichten Interview.
„Wenngleich ‚vom Tisch‘ ein großes Wort ist, sehe ich in diesem Sinne keinen Anlass für eine weitere Zinssenkung im Juli“, erklärte er. „Die nächste Sitzung, in der wirklich wieder alles offen sein wird, ist im September.“ Wie groß die Chance dann für eine Zinssenkung sei, könne er aber nicht sagen.
Rückschläge? „Dann müssten wir noch geduldiger sein“
„Unserer Rückkehr zum Zwei-Prozent-Inflationsziel liegt bereits ein allmählicher Rückgang der Leitzinsen zugrunde“, sagte Knot. Diese Rückkehr sei für Ende 2025 projiziert. Dann sollte es aus Sicht des Währungshüters auch spätestens so weit sein.
„Sollten wir auf diesem Weg aufs Neue mit Rückschlägen konfrontiert werden, müssten wir noch geduldiger sein im Vergleich zu dem, was die Märkte derzeit einpreisen.“ Aktuell wird am Finanzmarkt bis zum Jahresende 2025 noch mit vier bis maximal fünf Zinssenkungen gerechnet – davon werden für das laufende Jahr noch ein bis zwei Schritte nach unten erwartet.
Die EZB hatte im Juni die Zinswende vollzogen und erstmals seit fast fünf Jahren die Schlüsselsätze wieder gesenkt. Zum weiteren Kurs äußerte sich die EZB-Führung aber bisher nur sehr vorsichtig. Die nächsten Zinstreffen der Währungshüter sind am 18. Juli und dann am 12. September, jeweils in Frankfurt.
Knot plädierte für weitere Wachsamkeit der EZB, denn es gebe Risiken, die die Inflation nach oben treiben könnten. „Es geht um die Kombination aus Löhnen mit dem mittelprächtigen Produktivitätswachstum und darum, inwieweit Unternehmen höhere Arbeitskosten noch über niedrigere Gewinnmargen auffangen können.“ Alle diese drei Faktoren seien wichtig. „Solange diese vierteljährlichen Daten im Einklang mit unseren Projektionen stehen, bin ich mit unserem geldpolitischen Kurs und den derzeitigen Markterwartungen hinsichtlich künftiger Zinssenkungen völlig einverstanden.“ Notenbank-Volkswirte erarbeiten vier Mal im Jahr Konjunktur- und Inflationsprognosen für den Euroraum. Diese Projektionen liegen dem EZB-Rat zu ihren Zinssitzungen im März, Juni, September und Dezember vor.
Knot zufolge befinden sich die Zinsen derzeit auf einem Niveau, das die Wirtschaft bremst. „Solange wir über drei Prozent liegen, sind wir auf jeden Fall noch restriktiv.“ Und das werde für absehbare Zeit der Fall sein. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Banken erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, liegt derzeit bei 3,75 Prozent.