Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat am Montag ihren 140-seitigen Länderbericht für Österreich mit zahlreichen Reformvorschlägen vorgelegt. Die Industriestaatenorganisation empfiehlt eine wachstumsfreundlichere Gestaltung des Steuersystems und eine niedrigere Staatsverschuldung. Reformbedarf sieht die OECD unter anderem im Bereich Pensionen, Gesundheit, Klima, Schulwesen und Kinderbetreuung.
Grundsätzlich positiv beurteilt die OECD die wirtschaftliche und soziale Lage Österreichs: Die Wirtschaft habe sich „in den letzten zwei Jahrzehnten gut entwickelt“, sagte OECD-Generalsekretär Mathias Cormann am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Trotz Inflationsrückgang sei die Teuerung aber derzeit noch vergleichsweise hoch. Der Lebensstandard sei in Österreich höher als in den meisten OECD-Ländern und die Einkommensungleichheit relativ gering aufgrund einer hohen Umverteilung durch öffentliche Transferleistungen, schreiben die Experten in ihrem Bericht. Die relative Armutsquote in Österreich sei geringer als in vielen anderen OECD-Staaten.
OECD-Generalsekretär Cormann warnte aber davor die finanziellen Auswirkungen der alternden Bevölkerung zu unterschätzen. Ohne Reformen in Österreich im Bereich Gesundheit, Langzeitpflege und Pensionen würde die öffentliche Schuldenquote in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von zuletzt 78 Prozent über die nächsten Jahrzehnte auf 171 Prozent im Jahr 2060 nach oben schnellen.
Staatsverschuldung bereitet Sorgen
Im Steuersystem sehen die Experten Änderungsbedarf: Österreich besteuere Immobilien „auf niedrigem Niveau“ und habe eine vergleichsweise hohe Steuerbelastung des Faktors Arbeit, heißt es im Bericht. Empfohlen wird eine Verlagerung der Besteuerung von Arbeit „auf andere Grundlagen“, einschließlich höherer CO2-Steuer und Grundsteuer. Außerdem sollten die Immobilienwerte (Einheitswerte) für die Steuerberechnung regelmäßig aktualisiert werden. Der Einheitswert liegt in der Regel wesentlich unter dem Immobilien-Verkehrswert. Um die Produktivität der heimischen Wirtschaft zu erhöhen, rät die OECD dazu, die strengen Zugangsvoraussetzungen für bestimmte freiberufliche Dienstleistungen zu lockern.
Sorgen bereitet der OECD die „relativ hohe“ Staatsverschuldung in Österreich. Angesichts des für 2025 erwarteten Wirtschaftsaufschwungs empfiehlt die Organisation der heimischen Regierung einen mittelfristigen Plan zum Abbau des Defizits und der Verschuldung einzuführen. Wie schon in vorherigen Länderberichten zu Österreich wird eine Kopplung des Pensionsalters an die Lebenserwartung nahegelegt, um hierzulande die langfristige Tragfähigkeit des Pensionssystem sicherzustellen. Weiters sollten Präventivmaßnahmen für chronische Erkrankungen ausgebaut werden, um die Gesundheitsausgaben zu senken.
Man nehme die Empfehlungen der OECD, die alle zwei Jahre „ein kritische Auge“ auf Österreich werfe, „sehr ernst“, sagte Wirtschaftsminister Kocher bei der Pressekonferenz. Der Länderbericht würde einen „frischen Blick“ auf Österreich bieten, so Kocher. Die letzten Jahre waren „durchaus geprägt durch globale Krisen“, sagte Finanzminister Brunner mit Hinweis auf die Covid- und Energiekrise sowie Teuerungswelle. Im Hinblick auf die OECD-Empfehlung für eine höhere Grundsteuer erklärte Brunner, dass in manchen Ländern Kommunalabgaben auch in die Grundsteuer eingerechnet werden und die Steuer deswegen höher sei. „Man muss sich das seriös ansehen.“
„Unzureichende Angebot an hochwertiger Kinderbetreuung“
Im Bereich Dekarbonisierung der Wirtschaft und Anpassung an den Klimawandel rät die Industriestaatenorganisation Österreich zu höheren CO2-Steuern, insbesondere in Sektoren, die nicht vom Europäische Emissionshandel (ETS) erfasst sind. Subventionen für fossile Brennstoffe sollten „soweit erforderlich durch gezielte Unterstützung für schutzbedürftige Gruppen“ ersetzt werden. Außerdem sollte die Pendlerpauschale im Hinblick auf die soziale und ökologische Treffsicherheit reformiert werden.
Umweltministerin Gewessler bedankte sich bei der OECD für die Empfehlungen. „Wir müssen weiter machen mit ambitionierten Klimaschutz“, sagte die Ministerin. Unter anderem sei beim Ausbau der Erneuerbaren Energie „noch viel drinnen“.
Die OECD-Experten orten eine Reihe von „Ungleichheiten“ in Österreich: Die Erwerbsbeteiligung von Frauen werde durch „das unzureichende Angebot an hochwertiger Kinderbetreuung“ eingeschränkt, heißt es im Bericht. Bildungs- und Betreuungsangebote für Kleinkinder Jahren sollten deswegen mit dem Fokus auf benachteiligte Familien weiter ausgebaut werden. Nur 4 Prozent der Väter nehmen in Österreich Elternkarenz. Stärkere Anreize könnten zu einer „ausgewogeneren Nutzung“ der Elternkarenz zwischen Müttern und Vätern führen, so die Empfehlung. Für Schulen mit einem hohen Anteil an benachteiligten Schülern könnten mit einer „bedarfsorientierte Finanzierung“ mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.