Gerade noch die Schulnote „Genügend“ gibt Georg Knill dem österreichischen Wirtschaftsstandort. Der vor rund einem Monat als Präsident der Industriellenvereinigung wiedergewählte Weizer Unternehmer sieht in der ORF-Pressestunde am Sonntag auch weiterhin „herausfordernde Jahr“ auf die österreichische Wirtschaft zukommen. „Die Industrie steckt seit zwei Jahren in der Rezession, heuer geht sich bestenfalls eine Stagnation aus“, so Knill. Die globalen Rahmenbedingungen seien ob der geopolitischen Entwicklungen schwierig, Österreichs wichtigster Handelspartner kämpfe mit konjunkturellen und strukturellen Problemen, die Knill auch Österreich attestiert. „Die Wettbewerbsfähigkeit hat sich deutlich verschlechtert, die Lohnstückkosten sind massiv gestiegen, die Energiepreise liegen noch immer dreimal höher als jene in den USA“, so Knill. Hinzu kommen Kosten durch die Bürokratie. In Summe sorge das dafür, dass sich internationale „Kunden Produkte Made in Austria nicht mehr leisten können, das ist unser Problem“, so seine Warnung.
„Bei jedem Wehwehchen nach Pflastern des Staates gerufen“
Knill forderte einmal mehr eine Entlastung des Faktors Arbeit und erneuerte den IV-Appell, dass die Lohnnebenkosten abgesenkt werden müssen. Die Gewerkschaft warnt vor diesem Vorstoß, weil dadurch dahinter stehende Sozialleistungen gekürzt werden müssten, wie sie befürchtet. Knill sieht beispielsweise im Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) einen Hebel, dieser mache rund 3,7 Prozent aus und werde derzeit allein von der Arbeitgeberseite getragen. Diese Kosten sollten, so Knill, ins allgemeine Budget übergehen.
Aufgrund der Entwicklung der Staatsfinanzen – steigendes Budgetdefizit jenseits der Maastricht-Grenze von drei Prozent sowie steigende Staatsschulden – sieht Knill die nächste Bundesregierung gefordert. „Eine neue Regierung wird viele unpopuläre Maßnahmen treffen müssen.“ In den vergangenen Jahren sei „bei jedem Wehwehchen nach Pflastern des Staates gerufen worden“, nun sei die Pflasterbox aus, „die Situation bleibt angespannt, wir können nicht mehr so viel Geld ausgeben.“
Einmal mehr sagt der IV-Präsident aber auch, dass Österreich kein Einnahmenproblem habe, sondern ein Effizienz- und Ausgabenproblem. Vermögenssteuern lehne er daher weiterhin ab, „das ist Gift für den Standort“. Jetzt müsse es um Reformen gehen, Knill nennt u. a. die Bereiche Pensionen und Arbeitsmarkt und spricht von „unpopulären aber notwendigen Reformen“. Er attestiert Österreich auch Effizienzprobleme in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Verwaltung. „Das Schlimmste, was eine neue Regierung machen könnte, wäre es, zu sagen, dass eh alles passt“, so Knill. Die Chancen auf die Umsetzung einer Pensionsreform durch eine – wie immer zusammengesetzte neue Regierung – beziffert er mit 51 Prozent, „das ist nicht einfach, aber es muss passieren“, so Knill. „Neue Steuern sind jedenfalls keine Reform.“
„Brauchen den Spirit des ÖFB-Teams“
Insgesamt, so Knill, sollte sich Österreich auch standortpolitisch etwas vom Fußball-Nationalteam und den Auftritten bei der Euro abschauen. Dieses habe durch Motivation, Einsatz und Leistung überzeugt, „diesen Spirit brauchen wir in Österreich“, so Knill.
Während er dem Wirtschaftsstandort ein „Genügend“ in ein Zeugnis schreiben würde, erhält die türkis-grüne Bundesregierung ein „Befriedigend“ von ihm – diese habe in schwierigen Zeiten auch wichtige Dinge umgesetzt, etwa die Abschaffung der „kalten Progression“. Der grüne Juniorpartner habe „im Spiel der Kräfte Muskeln gezeigt“.
Zur Arbeitszeitdebatte im Land wiederholte Knill den bekannten IV-Standpunkt: „Durch weniger Arbeit und weniger Leistung werden wir den Wohlfahrtsstaat nicht absichern können“, zumal das Arbeitsvolumen auch durch die hohe Teilzeitquote rückläufig sei.
Auf das Verhältnis zur FPÖ angesprochen, die in allen Umfragen zur Nationalratswahl vorne liegt, sagte Knill: Die IV sei „immer überparteilich und spricht mit allen im Parlament vertretenen Parteien“. Also auch mit der FPÖ und ihrem Obmann Herbert Kickl. Für die IV sei es sehr aber sehr relevant, wie sich die Parteien gegenüber Freihandel und EU positionieren. Und das werde man sich nach der Wahl auch bei der FPÖ „anschauen und kommentieren“. Kritik übte Knill bereits wiederholt an dem aus seiner Sicht „wirtschaftsfeindlichen“ Kurs der SPÖ unter ihrem Vorsitzendenden Andreas Babler. Dessen 24-Punkte-Plan sei „standortschädlich“ und fordere „Rückverstaatlichungen“. Knill sieht darin ein Programm „gegen Marktwirtschaft, Unternehmertum und Eigenverantwortung“.
Scharfer Konter der SPÖ
Die SPÖ reagierte umgehend auf die Kritik des IV-Präsidenten. Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim kontert in einer Aussendung scharf: „Die Industriellenvereinigung ist die Lobby der Großkonzerne und Superreichen, die rollende Angriffe gegen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer fährt. Während Großkonzerne und Superreiche mit Steuergeschenken belohnt werden, erhöhen ÖVP und IV massiv den Druck auf arbeitende Menschen“, so Seltenheim in Hinblick auf die Forderung nach Pensionsreformen und Ausgabenkürzungen. Das „Budgetdesaster der schwarz-grünen Regierung ist hausgemacht“, so der Bundesgeschäftsführer. Die SPÖ mit Babler an der Spitze werde es nicht zulassen, „dass bei Pensionen, Gesundheit und Bildung gespart wird“. Erneuert werden Forderungen nach der Verkürzung der Arbeitszeit sowie der Einführung einer „gerechten Millionärssteuer“.