Bei einer deutschen Tochter der voestalpine sind ab 2012/13 Bilanzen geschönt worden. In Summe geht es um 100 Mio. Euro. Kritik hagelt es für die mangelhafte Kommunikation des Vorfalls nach außen. „Dass man im Nachhinein bekanntlich immer klüger ist, gilt auch hier: Könnten wir die Zeit um vier Wochen zurückdrehen, hätten wir sicher im Rahmen der Bilanzpressekonferenz aktiver über die Fehlbuchungen informiert“, sagte CEO Herbert Eibensteiner in der Hauptversammlung.
Ein konkreter finanzieller Schaden, der sich aus heutiger Sicht vor allem aus „zu viel bezahlten Steuern“ ableite, sei aktuell noch Gegenstand der laufenden Untersuchungen, berichtete der Vorstandsvorsitzende heute, Mittwoch, beim Aktionärstreffen im Linzer Design Center. In Bezug auf Steuern sei aktuell davon auszugehen, dass „ein mittlerer einstelliger Millionenbetrag zu viel bezahlt wurde“, dessen Rückforderung von den Finanzbehörden „nicht mehr möglich“ sei. Dazu kämen noch die Kosten für die Aufarbeitung des Falls.
Die umfassende Untersuchung des „sehr komplexen Sachverhalts“ wird den Angaben zufolge noch mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Dabei dürften Rechtskosten im Ausmaß von 1,5 Millionen Euro auflaufen. „Jetzt stehen wir bei 800.000“, sagte Konzernsprecher Peter Felsbach zur APA. „Die gesamten Fehlbuchungen wurden mit Ende des Geschäftsjahres 2023/24 richtiggestellt und es handelt sich um einen Einzelfall“, betonte Eibensteiner. „Und diesen haben wir selbst identifiziert und umgehend mit der Aufarbeitung gestartet.“
„Zumindest zwei Personen involviert“
Ob es in weiterer Folge zu zivilrechtlichen Klagen oder strafrechtlichen Anzeigen kommt, könne erst nach Vorliegen der Ergebnisse entschieden werden, so der CEO. „Aus heutiger Sicht können wir bestätigen, dass zumindest zwei Personen involviert waren.“ Diese Personen hätten die internen Kontrollsysteme bestens gekannt und diese bewusst umgangen. „Ziel ist natürlich, gegen Personen, die diese Fehlbuchungen zu verantworten haben, rechtlich vorzugehen.“
„Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit hinterfragen wir im Nachhinein selbstkritisch“, räumte Eibensteiner ein. Rechtlich habe sich der Konzern aber „100 Prozent korrekt“ verhalten, erklärte der Konzernchef gleichzeitig.
Um den Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2023/24 zum 31. März 2024 korrekt und zeitgerecht erstellen zu können, sei der Fokus zunächst auf den bilanziellen Auswirkungen dieser ergebnisverbessernden Fehlbuchungen gelegen.
„Ja, die Kommunikation hätte besser laufen können - der Vorstand wird daraus seine Lehre ziehen“, räumte auch Aufsichtsratschef Wolfgang Eder, ehemaliger Voest-Vorstandschef, ein - und versuchte den Umfang des Vorfalls zu relativieren. „Wir reden über einen Zeitraum von zwölf Jahren und ein Ausmaß von etwa 100 Millionen Euro, das sind im Schnitt 8,3 Mio. Euro pro Jahr.“ Das Eigenkapital per Ende März 2024 betrage nun 7,5 Milliarden statt 7,6 Milliarden Euro – „ein Minus von 1,3 Prozent“, wie er hinzufügte.
„In keiner Relation zur verbreiteten Stimmung“
„Diese Dimension steht aus meiner Sicht in keiner Relation zu der in den letzten Wochen verbreiteten Stimmung“, meinte Eder. Die Fehlbuchungen seien in einer einzelnen Gesellschaft vorgenommen worden. Die übrigen anderen 300 Unternehmen der voestalpine kämen ihren Verpflichtungen „nach all unseren Erkenntnissen“ ordnungsgemäß nach. „Soweit zur sogenannten aktuellen Causa Prima.“
Die voestalpine werde aus der Causa mit den „bewusst ergebnisverbessernden Fehlbuchungen hinsichtlich der Bilanzierung und Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden“ bei einer deutschen Gesellschaft der Metal Forming Division lernen und - sofern und wo erforderlich - ihr internes Kontrollsystem weiterentwickeln und verbessern“, so Konzernchef Eibensteiner vor der versammelten Aktionärsschaft.
„Wir haben laufend unsere Ad-hoc-Pflicht überprüft“
Der Vorfall habe in den vergangenen Wochen für viel Aufmerksamkeit gesorgt und die voestalpine seines Erachtens „in der Öffentlichkeit in ein falsches Licht gerückt“. „Oder um es mit den Worten unseres Bundespräsidenten zu sagen: So sind wir nicht“, hielt Eibensteiner fest.
„Wir haben laufend unsere Ad-hoc-Pflicht überprüft. Wir wollten mit der Information erst in eine breite Öffentlichkeit gehen, wenn die Aufarbeitung des Falles abgeschlossen ist und wir umfassend informieren können, um öffentlichen Spekulationen über Schuld und Verantwortung keinen Raum zu geben“, erklärte der voestalpine-Chef das Vorgehen aus Sicht des Managements.
Der bisher bekannte Schaden im Detail: Die Bilanzmanipulation führten letztlich zu einem Wertberichtigungserfordernis im Ausmaß von insgesamt 100 Mio. Euro. Das Eigenkapital zum 1. April 2022 wurde laut Eibensteiner rückwirkend um 81,6 Millionen Euro reduziert. „Das ist die Zeit auch zurück bis 2012/13“, erklärte der CEO. Im Geschäftsjahr 2022/23 hätten die Auswirkungen in der Gewinn-und-Verlust-Rechnung (GuV) 1,4 Millionen Euro betragen und die Ergebnisse der ersten drei Quartale des vergangenen Geschäftsjahres 2023/24 seien um rund 17 Millionen Euro korrigiert worden.
„Daraus ergibt sich das bereits erwähnte Wertberichtigungserfordernis von 100 Mio. Euro, wodurch sich das Eigenkapital der voestalpine AG zum 31. März 2024 von 7,6 Mrd. Euro auf 7,5 Mrd. Euro reduziert hat.“
„Es kam zu keinem direkten Mittelabfluss“
Und Eibensteiner weiter: „Es kam zu keinem, ich betone es noch einmal, direkten Mittelabfluss und der Betrag von 100 Millionen Euro ist auch nicht als finanzieller Schaden zu sehen.“ Die bilanziellen Folgen seien mittlerweile rückwirkend korrigiert und vollständig im Jahresabschluss 2023/24 berücksichtigt.
Im Zuge der heutigen Hauptversammlung steht auch die Neuwahl des Aufsichtsrats auf der Tagesordnung. Eder wird sich ein letztes Mal zur Wahl stellen, „aber nur noch verkürzt, für drei Jahre“, wie er sagte. Das habe zwei Gründe: „Erstens bin ich dann 75 und zweitens halte ich mich für ersetzbar“, so Eder, der auf 50 Jahre Wirken in der anfangs noch verstaatlichten Voest zurückblickt.