Die Lieferprobleme im Flugzeugbau werden nach Einschätzung von Lufthansa-Chef Carsten Spohr noch bis Ende des Jahrzehnts anhalten. „Wir haben eine Riesen-Ineffizienz in dem System zurzeit“, sagte Spohr am Donnerstag beim Wirtschaftspresseclub. Die Lufthansa-Gruppe hat für eine Flottenmodernisierung 250 neue Flieger bei Airbus oder Boeing bestellt, die von 2024 bis 2029 kommen sollen. Die Misere wird sich Spohr zufolge noch so lange hinziehen: „Kein Flugzeug kommt pünktlich.“
Die AUA-Mutter sei davon „brutal“ betroffen: Von den insgesamt 750 Flugzeugen der Lufthansa-Gruppe stünden derzeit 100 am Boden wegen Wartungsarbeiten oder weil Maschinen schon ausgemustert seien, die neuen Flugzeuge von Airbus oder Boeing aber auf sich warten ließen. So hat das Boeing-Langstreckenmodell 777X eine beispiellose Verspätung von vier Jahren, wenn es denn 2025 dem Erstabnehmer Lufthansa übergeben wird. Bei Airbus sorgt der jüngst gebremste Produktionshochlauf des Kurz- und Mittelstreckenflugzeugs A320neo für weiteren Stau bei der Versorgung der Airlines mit neuem Fluggerät.
Lieferkettenprobleme
Die während der Coronakrise entstandenen Lieferkettenprobleme reichen von Produktion und Wartung von Flugzeugen über die Ausstattung mit Sitzen oder Küchen bis hin zu Freigaben der Behörden. Wieviel Gewinn der Flugzeugmangel die Lufthansa kostete, kann Spohr zufolge nicht genau beziffert werden, vielleicht aber eine halbe Milliarde Euro im Jahr. Einerseits werden weniger Tickets verkauft, und die Treibstoffkosten sind höher als mit neuen Flugzeugen – andererseits nutzte die Airline das knappe Angebot bei hoher Nachfrage zu höheren Ticketpreisen.
Die Modernisierung der Flotte von Lufthansa und den Tochterairlines wie Eurowings, Swiss oder Austrian Airlines (AUA) ist einer von drei Hebeln zum Reduzieren von CO2-Emissionen. Klimaneutralität bis 2050 ist auch Ziel der Lufthansa. Je länger das neue Fluggerät mit 20 bis 30 Prozent weniger Kerosinverbrauch auf sich warten lässt, umso langsamer kommt die Lufthansa hier voran.
Skeptisch ist der Lufthansa-Chef beim zweiten wichtigen Hebel, dem Einsatz nachhaltigen Flugbenzins (SAF). Es ist erst in sehr geringer Menge vorhanden und bis zu fünfmal so teuer wie fossiles Kerosin. Ab dem kommenden Jahr schreibt die EU den Treibstoffherstellern vor, an die Airlines zwei Prozent ihres Bedarfs SAF zu liefern, die Quote steigt dann schrittweise. In der Branche wird bezweifelt, dass es genug SAF zum Erfüllen der Quote geben wird. „Die muss es aber geben, und das muss jemand bezahlen“, sagte Spohr.
Verpflichtender Umweltkostenzuschlag
So kündigte die Lufthansa an, ab 2025 zum Decken der höheren Kosten für Klimaschutzvorschriften einen verpflichtenden Umweltkostenzuschlag zu erheben von einem Euro je Flug in der auf kurzen Strecken günstigsten Klasse bis zu 72 Euro in der First Class auf der Langstrecke. Mit steigenden SAF-Quoten sollen die Zuschläge steigen. Zusätzlich können Kunden weiterhin freiwillig einen Umweltobolus über die „Green Fares“ zahlen. Doch das leisteten sich im Schnitt nur vier Prozent der Fluggäste, von den Geschäftsreisenden sind es mehr als zehn Prozent.
Die Europäische Union geht nach Ansicht des Lufthansa-Chefs den falschen Weg, Auflagen zu machen, die der Kunde bezahlen müsse. Andere Regionen der Welt folgten dem nicht, was zu einem Wettbewerbsnachteil der europäischen Airlines führt. Die USA gingen mit einer Subventionierung der SAF-Produktion klüger vor. Bei der vorgesehenen Überprüfung des Gesetzes in der EU 2026 rechnet Spohr deshalb mit einer Kursänderung: „Ich glaube nicht, dass das Bestand haben wird bei der nächsten EU-Kommission.“