Klientelpolitik oder Fortschritt? Sie kommt nun doch, die vegane und vegetarische Kochlehre. Gegen den Widerstand von Teilen der Gastronomie und Arbeitnehmervertretern wird sie nun via Verordnung umgesetzt. Das Thema spaltet weiterhin. Groß ist der Jubel bei den Grünen, die sich dafür eingesetzt haben. „Die vegetarisch-vegane Kochlehre macht den Lehrberuf Koch/Köchin all jenen Personen zugänglich, die aufgrund ihrer persönlichen Ernährungsgewohnheiten eine Lehre in der Gastronomie zuvor ausgeschlossen haben. Im Rahmen der vegetarisch-veganen Kochlehre müssen Lehrlinge nicht mit Fleisch hantieren“, betont Sabine Jungwirth, Bundessprecherin der Grünen Wirtschaft. Die Gastronomie könne auf den Trend der vegetarisch-veganen Ernährung aufspringen.

Im Verordnungsentwurf des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums, es gilt noch eine vierwöchige Begutachtungsfrist, ist von der Ausbildung zur „Fachkraft für vegetarische Kulinarik“ die Rede. Der Umstand, dass auf das Wort „vegan“ in der offiziellen Berufsbezeichnung verzichtet wird, soll, so ist zu vernehmen, einer zu engen Auslegung entgegenwirken. Aber auch verhindern, dass VP-Landwirtschaftsvertreter verärgert werden. Die Lehrzeit soll drei Jahre betragen, der Start ist zu Jahresbeginn 2025 geplant.

„Mini-Schritt“

Während auch die Vegane Gesellschaft Österreich von einem „Meilenstein“ spricht, ortet Neos-Abgeordneter und Gastronom Sepp Schellhorn „grüne Show-Politik“. Die vegane und vegetarische Kochlehre sei ein „Mini-Schritt in die richtige Richtung, aber viel zu eng gedacht“, so Schellhorn. Er fordert eine generelle Modularisierung der Kochlehre – bestehend aus einem Grundmodul und frei wählbaren Spezialisierungen. „Warum sollte eine modulare Lehre bei Köchinnen und Köchen nicht möglich sein, wenn es das in anderen Branchen längst gibt?“

Spitzenkoch Paul Ivić
Spitzenkoch Paul Ivić © IMAGO / Rudi Gigler

Kritisch bis neutral fallen die Reaktionen der Branchenvertreter in der Wirtschaftskammer aus. „Bestehende Zusatzausbildungen mit vegetarisch-veganen Lehrinhalten werden bereits gut angenommen. Der neue Lehrberuf kann dazu beitragen, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzuwirken“, streicht Gastro-Obmann Mario Pulker einen positiven Aspekt hervor. Wie groß der Bedarf tatsächlich sein wird, sei derzeit schwer zu sagen, wirft Klaus Friedl, Branchensprecher in der Steiermark, ein. Köche werden derzeit sehr breit ausgebildet „und spezialisieren sich dann ohnehin“. Auch wenn die vegane/vegetarische Küche im Trend sei, würde er weiterhin zu einer grundlegenden Ausbildung raten. Fraglich sei zudem, wie viele Ausbildungsbetriebe es in der Gastronomie überhaupt gibt, die ohne Fleisch arbeiten. Der geplante Start 2025 sei jedenfalls „sehr sportlich“, betont Friedl. Denn es brauche zumindest noch Lehrpläne, Fachbücher und Prüfer. „Es ist noch einiges zu tun.“ Sein Kärntner Kollege, Gastro-Sprecher Stefan Sternad begrüßt die neue Ausbildung: „Vegetarisch ist nicht mehr nur ein Trend, sondern ein Thema, das gekommen ist, um zu bleiben.“ Vegan sieht er aber als „Nischenthema für den urbanen Raum“. Der Markt werde zeigen, ob vegane Lokale langfristig in Kärnten Fuß fassen können. Bisher gab es einzelne Vorstöße, die mitunter auch seltsame Blüten trieben. So setzte ein veganes Lokal in Klagenfurt etwa auch Steak auf die Speisekarte, um die Wirtschaftlichkeit sicherzustellen. In seinem eigenen Lokal, dem Gasthaus Messnerei am Sternberg, hätte Sternad für einen Mitarbeiter mit einer veganen, vegetarischen Kochlehre nur bedingt Verwendung. „Mit so einer Ausbildung ist man spezialisiert und nur teil-qualifiziert“, meint der Gastronom.

„Bereicherung für Gastronomie und Hotellerie“

Spitzenkoch Paul Ivić, der für das vegetarische Wiener Gourmetrestaurant Tian einen Michelin-Stern und vier Hauben von Gault Millau erkocht hat, ist ein klarer Befürworter der vegetarisch, veganen Kochlehre. Zu den kritischen Stimmen sagt er: „Ich weiß nicht, wovor manche Leute in unserer Branche Angst haben.“ Es gehe nicht um die Frage entweder Fleisch und Fisch oder vegetarisch bzw. vegane Küche, sondern darum, das Potenzial – auch eines Miteinanders auf manchen Speisekarten – zu erkennen. „Da gibt es junge Talente, die nicht mit Fleisch und Fisch arbeiten wollen, die wir fördern sollten“, betont er. Zumal es in der Branche einen eklatanten Mitarbeitermangel gibt und viel Wissen und Können erst nach dem Lehrabschluss erworben wird. Mit guter Gestaltung könnte die neue Ausbildung eine Bereicherung für die Gastronomie und die Hotellerie sein.