Die Insolvenz des Reiseveranstalters FTI Anfang Juni hat das Geschäft der verbliebenen Anbieter massiv angekurbelt. Reisekonzerne wie TUI und Dertour teilen sich den Kuchen des ehemals drittgrößten Anbieters in Europa auf. Sie kümmern sich um die geplatzten Reisen der FTI-Kundschaft. „Das ist jetzt ein Turbo gewesen, sozusagen“, sagte Dertour-Austria-Chef Martin Fast zur APA. In Österreich sind mindestens 100.000 Kundinnen und Kunden von der Pleite betroffen.

„Uns ist es heuer insgesamt schon gut gegangen, aber jetzt mit der FTI-Pleite haben wir momentan Zuwächse - tagesaktuell - von 200 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, weil wir Ersatzreisen für die FTI-Reisen suchen“, berichtete der Geschäftsführer des hierzulande zweitgrößten Reiseveranstalters Dertour Austria GmbH. Zu dem Unternehmen gehören Marken wie Billareisen, Dertour, ITS Reisen und Meiers Weltreisen.

„Der Masseverwalter wählte Reiseveranstalter aus, die unterschiedliche Destinationen übernommen haben – die Dertour und die TUI haben die größten Destinationen bekommen“, erklärte Fast. Jeder habe sieben Länder mit vielen Gästen bekommen.

„Plötzlich war der Reiseleiter von FTI nicht mehr da“

Am 3. Juni brach die FTI zusammen. „Plötzlich war der Reiseleiter von FTI nicht mehr da“, schilderte Fast die extrem missliche Lage der Kundinnen und Kunden. Bereits zwei oder drei Tage später habe der Insolvenzverwalter die Länderzuteilung festgesetzt. „Bei Thomas Cook war das nicht so gescheit gemacht“, merkte der Marktkenner unter Verweis auf die Großinsolvenz des Reisekonzerns im Jahr 2019 an.

Auch Österreichs größter Reiseveranstalter TUI hat sich angesichts der aktuellen Marktsituation zahlreiche Extrakapazitäten gesichert und zusätzliche Plätze ins Programm genommen. Der Reisekonzern steht laut Eigenangaben vor einer starken Sommersaison 2024. In den vergangenen drei Wochen seien die Buchungen durch den Marktaustritt von FTI noch einmal sprunghaft angestiegen.

Viel Aufwand, aber auch gutes Geschäft

Zum Zeitpunkt der FTI-Pleite waren rund 60.000 Urlauberinnen und Urlauber aus Österreich, Deutschland und den Niederlanden mit dem insolventen Veranstalter unterwegs. „Wir können davon ausgehen, dass davon fünf bis sieben Prozent Österreicher waren“, schätzte der Dertour-Austria-Chef die Zahl der hierzulande akut Betroffenen auf grob 3000 bis 4200 Personen. Insgesamt dürfte die FTI in Österreich mindestens 150.000 Kundinnen und Kunden gehabt haben – 60 bis 70 Prozent davon, also 90.000 bis gut über 100.000 Personen, haben bis Juni „wahrscheinlich schon gebucht“, so Fast. Der Österreich-Umsatz der FTI habe sich auf mindestens 150 Millionen Euro (von konzernweit mehr als vier Milliarden Euro) belaufen, meinte der Branchenexperte.

„Erste Priorität war natürlich, sich um die Kunden zu kümmern, die derzeit verreist sind“, betonte der Geschäftsführer. Der zweite Schritt sei, die Kapazitäten zu sichern – „nicht nur für den Sommer, auch für den Winter“. Das bedeutet immens viel Aufwand, ist aber auch ein gutes Geschäft.

Die Insolvenz der FTI hat sich laut Fast abgezeichnet: „Das war für uns erwartbar - billigste Preise und höchste Vergütungen für Reisebüros zu zahlen, geht sich irgendwann nicht aus, Dumpingpreise und gleichzeitig höchste Provisionen“, so der Dertour-Österreich-Chef. „Mit dem Geschäftsmodell ist es natürlich schwierig am Ende des Tages“, meinte er und unterstrich nochmals die aggressive Preispolitik der FTI. „Wenn dann der Umsatz nicht mehr steigt, der Cash nicht mehr steigt, dann bricht das Kartenhaus zusammen.“ Für die verbliebenen Marktteilnehmer sei das jetzt natürlich eine positive Entwicklung gewesen.

„Wenn sich jemand meldet, dann schauen wir“

Die FTI-Kolleginnen und -Kollegen tun ihm allerdings leid. „Vielleicht können wir der einen oder anderen eine neue Heimat bieten“, bot Fast an. Aktiv ehemaliges FTI-Personal akquirieren will er aber nicht. „Wenn sich jemand meldet, dann schauen wir.“ Angesichts des hohen Wachstums will Dertour in Österreich „da und dort aufstocken“.

Die Hochbuchungsphase für die Jahresurlaube ist bei den Reiseveranstaltern eigentlich in der Weihnachtszeit, im Jänner und im Februar. Die FTI-Pleite führt nun mitten im Sommer zu einem zusätzlichen Buchungsboom bei den verbliebenen Reiseanbietern. „Während der Sommerhochsaison haben wir nun plötzlich Zahlen wie im Jänner“, verdeutlichte Fast.

„Wir hatten 2023 schon ein gutes Jahr, jetzt haben wir noch einmal eins draufgelegt“, so der Firmenchef. „Kumuliert liegen wir 40 Prozent über dem Vorjahr“, sagte er mit Blick auf die Verkaufserlöse.

Reisepreise seien heuer nicht so stark wie letztes Jahr gestiegen

Die Reisepreise seien heuer nicht so stark wie letztes Jahr gestiegen, aber immer noch im zweistelligen Prozentbereich - „im Schnitt sind es sicher 10 Prozent gewesen, mit Ausreißern nach unten und nach oben“, sagte Fast unter Verweis auf Bulgarien mit einer Verteuerung um 3 bis 5 Prozent beziehungsweise Mauritius mit plus 20 bis 22 Prozent. „Das ist sicherlich nicht spurlos vorübergegangen, die Inflation.“ Nun zeichne sich aber Entspannung ab: „Jetzt bremst es sich ein, bei den Neueinkäufen auch, Gott sei Dank.“

Die ursprünglichen Kapazitäten für das laufende Reisejahr habe Dertour Austria eigenen Angaben zufolge eigentlich sehr gut eingeschätzt. „Jetzt haben wir aufgestockt, Hotels vor allem.“ Der Anbieter habe speziell in der Türkei, in Griechenland und in den Vereinigten Arabischen Emiraten Hotelkontingente von der FTI übernommen.

Das Vor-Corona-Niveau hat Dertour Austria den Angaben zufolge ohnehin längst übertroffen. Die Verkaufserlöse seien schon 2023 um 20 Prozent über jenen vor der Pandemie gelegen. „Heuer werden wir bei 300 Mio. Euro Umsatz sein“, erwartet der Geschäftsführer, der heuer das 25-jährige Bestehen von Billareisen feiert.