Vom Sommernachtstraum, dass die hartnäckige Wirtschaftsflaute im zweiten Halbjahr verschwinden dürfte, bleibt nichts. Die Ökonomen vom Wirtschaftsforschungsinstitut und Institut für Höhere Studien IHS nehmen ihre Wachstumsprognosen abermals zurück. Das vierte Mal in Folge. Weil Österreich zudem ein deutlich höheres Budgetdefizit aufreißen wird als geplant, wird es jetzt spannend, wie einerseits der Gürtel enger geschnallt wird, andererseits aber die Konjunktur damit nicht noch weiter abgewürgt wird.
Das Wifo geht für heuer bereits von einer Stagnation des Wirtschaftswachstums aus, das IHS erwartet noch ein Mini-Plus von 0,3 Prozent. In der Industrie herrscht seit zwei Jahren Rezession, entsprechend ist dort die Stimmung an einem Tiefpunkt. Die Aussichten auf durchgreifende Besserung sind mau, auch weil der wichtige Handelspartner Deutschland in der Krise steckt.
Die Hoffnung auf eine leichte Belebung liegt nun auf 2025, das IHS markiert sie bei 1,6 Prozent Wirtschaftswachstum, das Wifo bei 1,5 Prozent. Die Wirtschaftsleistung pro Kopf liegt dann immer noch unter dem Vor-Corona-Niveau. Somit sind es nicht nur fünf verlorene Jahre, wie Wifo-Chef Gabriel Felbermayr es gern griffig formulierte, „es sind sechs verlorene Jahre“, sagt er heute. Das mittelfristige Wachstumspotenzial Österreichs ist mit unter einem Prozent jährlich überhaupt dramatisch niedrig. Im EU-Vergleich steht Österreich schlecht da.
Erhöhung der Mineralölsteuer?
„Nach dem Fußballabend muss ich mich zusammenreißen und den breiten Grinser aus dem Gesicht bringen“, scherzt Felbermayr noch zum Auftakt der heurigen Sommerprognose beider Institute. Denn ein Grinser passt so gar nicht ins ziemlich düstere Konjunktur-Bild, das die Ökonomen am Mittwoch zeichnen. „Wir brauchen jetzt ein Rendevouz mit der Realität“, sagt Felbermayr. Er listet eine ganze Batterie von Vorschlägen auf, was in der verzwickten Lage helfen könnte – der überraschend neue dabei: Eine Erhöhung der Mineralölsteuer. Die wurde seit 13 Jahren nicht mehr angegriffen. Sie könnte ein wenig Spielraum schaffen für entlastende, wirtschaftsbelebende Maßnahmen etwa bei den Lohnnebenkosten.
Konkrete Beträge liegen freilich noch nicht auf dem Tisch. Aber sollte Österreich mindestens 2,5 Milliarden Euro im Jahr sparen müssen, wie Fiskalratspräsident Christoph Badelt erklärt, dann könnte die MöSt-Erhöhung ein Thema werden. „Das wäre grundsätzlich sinnvoll, weil man zwei Fliegen mit einer Klappe trifft, aber es bringt im Moment nichts, Einzelmaßnahmen zu diskutieren.“ Badelt war der erste, der vor einigen Wochen vor dem Einnahmen-Ausgaben-Problem Österreichs gewarnt hatte. Damals war die Entrüstung groß, heute ist die Ernüchterung groß.
„Der Begriff Sparpaket greift zu kurz“
Das Wort Sparpaket will man im Finanzministerium gar nicht hören. Drei Monate vor den Wahlen und angesichts der jüngsten Feindseligkeiten dürfte die Regierung nicht mehr viel zu Wege bringen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) erklärt in einer Stellungnahme: „Das beste Sparpaket ist, unausgegorene Ideen zu verhindern.“ Wifo-Chef Felbermayr war da bei aller Diplomatie etwas ungeschminkter: „Ein hohes Budgetdefizit, das konjunkturstabilisierend wirkt oder Wachstumsimpulse setzt, könnte man noch entschuldigen. Jetzt sehen wir, dass wir fiskalpolitisch eigentlich expansiv sind mit drei Prozent Defizit. Vor diesem Hintergrund ist 0,0 Prozent Wachstum schon eine kleine Niederlage.“
IHS-Chef Holger Bonin zufolge ist Österreichs Wachstum „nicht einmal EU-Durchschnitt“. Denn das Wachstum in der Eurozone liegt bei knapp einem Prozent. „Es ist der Konsum, der uns rettet, ohne ihn würden wir deutlich im Minus liegen“, sagt Bonin. Hektisches Agieren bis zu den Wahlen bringe jetzt nichts, „aber man sollte jetzt schon Dinge auf das Tableau bringen, wie die Konsolidierung vonstatten gehen soll.“ Grundsätzlich sehe er in Österreich eher ein Ausgabenproblem, weniger ein Einnahmenproblem. „Der Begriff Sparpaket greift zu kurz“, so Bonin. Es brauche nachhaltige Strukturreformen, so gebe es in Österreich noch viele verzerrende Steuern.
Politische Mitschuld an der enormen Verunsicherung
Felbermayr sieht bei der Politik eine Mitschuld an der enormen Verunsicherung sowohl in der Bevölkerung als auch in der Wirtschaft. Dazu habe die Diskussion Verbrenner versus E-Autos genauso beigetragen, wie ein fehlendes klares Bekenntnis zu den CO2-Preisen und den EU-Klimazielen. Als die Energiepreise durch die Decke schossen, sei man den Wifo-Vorschlägen bei etwa zur Stromkostenbremse oder dem Mietpreisdeckel sehr lange nicht gefolgt. Bonin spricht von „Vorsichtssparen“. Die Sparquote ist mit aktuell 10,4 Prozent sehr hoch.
In der Pflicht sieht der Wifo-Chef jetzt auch die Gewerkschaften. „Die muss man fragen, was könnt ihr beitragen, damit die Investitionsbereitschaft wieder besser wird.“ Die Konjunkturtests bei den Unternehmen sind zuletzt noch einmal schlechter ausgefallen. „Diese Erhebungen gibt es seit 1996“, so Wifo-Konjunkturexperte Christian Glocker. „Österreichs Unternehmen haben die Wettbewerbssituation noch nie so schlecht eingeschätzt wie jetzt, berichtet er. Glocker: „97 Prozent der Unternehmen beklagen hohe Lohnkosten.“
Die Arbeitslosigkeit steigt IHS und Wifo zufolge heuer weiter an, 2025 könnte sie wieder leicht zurückgehen.