Der frühere Finanzchef des zahlungsunfähigen Immobilienkonzerns Signa, Manuel Pirolt, weist ein persönliches Naheverhältnis zum Firmengründer René Benko von sich. Nach dem Zusammenbruch erachtet er die insolvente Gruppe nun als „stabilisiert“. „Für mich ist damit der Zeitpunkt gekommen, das Unternehmen zu verlassen“, sagte er im Interview mit dem Wochenmagazin „profil“. Derweil ermittelt noch die Staatsanwaltschaft gegen ihn.
Pirolt stehe dem Insolvenzverwalter bei Bedarf weiterhin beratend zur Verfügung. Zur Verfügung stehen muss er auch noch der Staatsanwaltschaft. Diese führt ihn in fünf Fällen als Beschuldigten. Medial bekannt ist ein Betrugsvorwurf rund um eine Kreditverlängerung bei der Bank Schelhammer Capital im Vorjahr. Ebenfalls bekannt ist eine Selbstanzeige der Signa, weil nach einer Dividendenausschüttung die Kapitalertragsteuer zu spät abgeführt wurde. Hinzu kommen noch Ermittlungen rund um eine angeblich nicht korrekte Verwendung von Investorengeldern. Weiters ist bei der Staatsanwaltschaft München ein Verfahren wegen Geldwäscheverdachts anhängig. „Mir sind diese vier Verfahren gegen mich auch bekannt. Darüber hinaus gibt es meines Wissens nach ein weiteres Ermittlungsverfahren“, so Pirolt. Den Inhalt des Verfahrens kenne er noch nicht. „Wir haben einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt, aber noch keine Aktenkopie erhalten.“ Die Vorwürfe in den Ermittlungsverfahren bestreitet Pirolt. „Die Vorwürfe sind unrichtig, und ich habe mir keinerlei unerlaubtes Verhalten vorzuwerfen.“
Pirolt hat den Aufstieg der Signa mit ermöglicht. Nun trägt er auch einen Teil der Verantwortung für den tiefen Fall des Unternehmens, schreibt das „profil“ in seiner aktuellen Ausgabe. Als Vorstand einer Aktiengesellschaft sei er weisungsfrei - aber natürlich unter der Kontrolle des Aufsichtsrates - tätig gewesen, sagte er auf die Frage, ob Benko sein Chef gewesen sei.
„Benko in viele Vorhaben involviert“
Offiziell hatte Benko bei der Signa in den vergangenen Jahren keine gesellschaftsrechtlichen Funktionen. „Mit den Immobiliengesellschaften hatte er einen Beratungsvertrag. Er war sehr präsent, das ist kein Geheimnis“, sagte Pirolt. „Er hat jeden Tag von morgens bis abends gearbeitet. Er hat das Unternehmen gegründet und war in viele Vorhaben involviert.“
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) prüft die Frage, ob Benko, der eigentlich offiziell nichts war, nicht doch faktischer Geschäftsführer - also Schattengeschäftsführer - war, und damit in der Haftung sein könnte. Pirolt dazu: „Er war in viele Dinge involviert und hat sich intensiv um die Unternehmensweiterentwicklung mit seinem Netzwerk und seinen Fähigkeiten gekümmert. Ob das eine faktische Geschäftsführung ist oder nicht, da müssen Sie einen Juristen fragen.“
Alle wesentlichen Dinge - jeder Ankauf oder Verkauf, jeder wesentliche Vertrag - seien dem Aufsichtsrat durch den Vorstand zur Genehmigung vorgelegt worden. Dies sei auch dokumentiert. „Wenn Benko einen Vorschlag gehabt hat, dann haben wir uns den auch angeschaut. Aber so, wie es kolportiert war, dass er durch die Gänge geht und allen irgendwas anschafft, so war das definitiv nicht.“
Den Vorwurf, dass Investoren mit geschönten Darstellungen gelockt worden seien, weist Pirolt zurück. „Ich bin Vorstand der wesentlichen Immobilientöchter, ich bin nicht in die Holding oder die Handelssparte involviert gewesen. Für meinen Bereich kann ich Ihnen mit gutem Gewissen sagen, dass all diese Zahlen auf höchstem Niveau entstanden und geprüft worden sind“, sagte er zum „profil“.
Bewusst geworden, dass die Signa pleite ist, sei ihm mit der Sonderprüfung der Europäischen Zentralbank (EZB). „Als Ende 2022, Anfang 2023 öffentlich bekannt wurde, dass die Europäische Zentralbank eine Sonderprüfung für die Immobilienwirtschaft macht, insbesondere mit Blick auf Signa, ist der Druck massiv gestiegen und hat zur Verunsicherung bei den Banken geführt“, erzählt Pirolt. „Aber die Luft abgeschnürt hat es uns, als Ende August 2023 ein großes Investorenticket in Südkorea umgefallen ist.“ Es habe plötzlich für die südkoreanischen Versicherungen ein neues Regulatorium gegeben, wonach sie in Mitteleuropa nicht mehr in Immobilien investieren dürften, weil die gesamte Branche dort hohe Abschreibungen im Jahre 2023 gehabt hätte. „Das war für alle überraschend. Es ist uns nicht gelungen, diese Lücke im letzten Quartal zu schließen. Das hat am Ende des Tages zur Insolvenz geführt.“ Pirolt weiters: „Es hat keiner damit gerechnet. Dass es uns so erwischt, hätte sich keiner vorstellen können.“
„Waren keine Freunde“
In dem zusammengekrachten Firmenimperium war Pirolt die Nummer zwei hinter Benko. Ein persönliches Naheverhältnis zu dem Tiroler weist Pirolt klar von sich: „Wir hatten ein gutes, freundschaftliches Verhältnis, aber wir waren keine Freunde.“ Aktuell gebe es „de facto kein Verhältnis“. „Es war sehr intensiv über die Jahre. Nachdem er mit der Insolvenz der Signa Holding Ende vergangenen Jahres von der Bildfläche verschwunden ist, haben wir kaum Kontakt gehabt.“
Pirolt ist der Erste aus der engsten Signa-Führungsriege, der sich einem Interview stellt. Benko absolvierte Monate nach den ersten Insolvenzeröffnungen in der Signa-Firmengruppe einen Auftritt im parlamentarischen Untersuchungsausschuss und gab sich unter Verweis auf laufende Verfahren inhaltlich weitgehend bedeckt.
Der 40-jährige Pirolt kam 2011 den Angaben zufolge als Controller und somit Hüter der Finanzen zur Signa. Er machte rasch Karriere und zog in den Vorstand der zentralen Immobilien-Holdings der Gruppe ein - in die Signa Prime Selection AG und in die Signa Development Selection AG. Doch laut Firmenbuch (WirtschaftsCompass) hat er den Angaben zufolge zuletzt allein in Österreich mehr als 260 aktive Funktionen innegehabt, großteils in Signa-Gesellschaften und sonstigen Firmen aus dem Benko-Umfeld. 2015 wurde Pirolt laut „profil“ auch Vorstand von Benkos Laura Privatstiftung. Benko selbst zähle nicht zu den Begünstigten der Stiftung, sondern nahe Verwandte. Es dürfte aber ein beträchtlicher Teil des Familienvermögens dort geparkt sein, schreibt das Magazin. Pirolt steige nun auch bei der Stiftung aus.