Es regnet Schusterbuben, das Rennen in Le Mans am Wochenende hat sich irgendwie verflüssigt. Die hohen Porsche-Erwartungen haben noch dazu einen Dämpfer gekriegt, nur der Österreicher Richard Lietz ist auf dem Weg zum Sieg. Der ganze Porsche-Vorstand ist vor Ort, auch Familienoberhaupt Wolfgang Porsche und sein Sohn Ferdinand, der mit seinem F.A.T.-Lifestyleprojekt einer Motorsport- und Auto-Community die Szene frisch und mit frechen Ideen völlig neu auflädt. Spätnachts ziehen beide mit einer ganzen Entourage hier in Le Mans die Runden. Wolfgang Porsche ist munterer als viele Junge und scherzt mit 81 wie ein Junger. Am Ende wird Richard Lietz mit seinem Team die Porsche-Ehre retten. Es ist sein fünfter Sieg in Le Mans.

Benzinbrüder-Land

Ja, Le Mans, die 24 Stunden, eines der legendärsten Rennen der Welt, das ist noch Benzinbrüder-Land. Klimakleber und Aktivisten wären hier Exoten. Das Rennen ist ein Anachronismus unserer Zeit, und gleichzeitig ein Beweis, wie sehr das Automobil, wie sehr Motoren, wie sehr Technik heute noch begeistern können. Le Mans ist Rennsport zum Angreifen, zum Spüren, zum Riechen, der Gridwalk durch die Startaufstellung wird von Tausenden Menschen wahrgenommen. Gaukler tanzen zwischen den Rennautos, Sambagruppen tanzen. Wenn die Formel 1 das Netflix des Rennsports ist, dann ist Le Mans das Leben. Und deshalb ist Porsche hier, mit einer Armada an Fahrzeugen. Die F1-Pläne sind nach dem Bruch mit Red Bull ja längst ad acta gelegt.

Mitten im Spannungsfeld

Mittendrin im Spannungsfeld bewegt sich Oliver Blume, der gespaltene CEO, der Vorstandsvorsitzende von Porsche und Volkswagen. Er hat Porsche in die Elektromobilität geführt, die Benzinbrüder in seinem Unternehmen mit Hightech-E-Mobilität befriedet. Selbst Motoren des 911ers, des Firmen-Heiligen, werden inzwischen hybridisiert. –

Für Blume ist das ein Platz, der seine ganze Zerrissenheit zeigt. Interviews, Investoren-Gespräche, permanent unter Strom möchte man sagen, wenn der Begriff nicht so belastet wäre. In diesen Tagen, in denen die E-Mobilität so infrage gestellt wird. Blume campt auch heuer wieder gleich neben der Rennstrecke, im letzten Jahr schlief er übrigens mit seiner Frau im Porsche-Dachzelt.

Der klare Blick

Je stärker die Zweifel an der E-Mobilität wachsen, desto klarer muss Blume werden, und trotzdem Themenbereiche wie E-Fuels leben lassen: „Wir sehen in der Elektromobilität die Zukunft der Autoindustrie“, betont er immer wieder, Punkt. Keine Zweifel lässt er daran aufkommen. Wichtig sei, das betonte er zuletzt auch bei der digitalen Hauptversammlung, dass der Hochlauf der E-Mobilität von allen Seiten unterstützt werde. Auch seitens der Politik bedürfe es einer klaren Haltung, die Hersteller bräuchten Planungssicherheit. Porsches Wege sind ja bereits vorgezeichnet. Der 718er wird genauso wie der Macan elektrisch.

Im Hintergrund bahnt sich aber eine technische Revolution an. Porsche arbeitet an einer Super-Batterie, die schneller am Markt sein wird als erwartet. In internen Gesprächen in Le Mans heißt es, diese Batterie sei gut 30 Prozent besser als die existierenden Energieträger, in Bezug auf Power, Energiedichte und Ladezeiten. So komme man schon sehr nahe an die Feststoffbatterien, die Ende der Dekade oder anfangs der 30er-Jahre kommen werden.

Großer Technologiesprung

Dieser große Technologiesprung kommt überraschend. Porsche hatte zuletzt die Cellforce-Gruppe komplett übernommen. Dort wurden Batteriezellen mit Silizium-Anode entwickelt. Nahm man zuerst an, dass es ein langsamer Anlauf werde, schaut es jetzt viel besser aus: In einer Pilotfabrik werden die Silizium-Zellen produziert. Man denkt nach einem Beginn im Mission-R-Renner an eine erweiterte Serienproduktion, die auch Porsche-Volumensmodelle bedienen kann. Spätestens in zwei, drei Jahren, in der zweiten Hälfte der Dekade. Auch Topmodelle des nächsten Taycan seien dabei eine Überlegung, berichtete zuletzt die „Automobilwoche“.

Gleichzeitig bedient Blume eben das Thema E-Fuels. Porsche hat hoch gepokert und in die klimaneutralen Kraftstoffe investiert. „E-Fuels sind eine gute Lösung, aber wir brauchen Investoren“, sagt Blume. Viele Menschen hätten jedoch noch nicht die Technologie verstanden und dass man klimaneutral unterwegs sei und jede Beimengung zum herkömmlichen Sprit CO₂ spare. Der Markt sei aber zu langsam, dabei wäre es höchste Zeit, es gehe um die Millionen Bestandsfahrzeuge, die es auch nach einem Verbrenner-Aus noch Jahre geben werde.

Volkswagen als Stromspeicher-Konzern

Der Volkswagen-Konzern, den Blume führt, ist ebenso ein zerrissener. Die Volumensmarken wie Volkswagen, Skoda, Seat/Cupra oder die Premium-Marke Audi müssen die CO₂-Ziele der EU erreichen. Aber das Geschäft mit den E-Autos lief zuletzt nicht rund, Einstiegsmodelle fehlen, Volkswagen muss Speed aufbauen. Blume sprach zuletzt nicht von ungefähr vom „Europa-Speed“, in Anspielung auf den „China-Speed“, wo Autos schon in drei Jahren entwickelt werden. In diese Richtung will man auch den Volkswagen-Konzern lenken, erstes Beispiel wird das 20.000-Euro-Elektro-Einstiegsmodell sein, das über VW, Cupra und Skoda verteilt wird.

Wie ernst Blume und Volkswagen den Schwenk Richtung E-Mobilität sehen, zeigt ein anderes Projekt: Volkswagen steigt in den Betrieb von großen Batteriespeichern für das Stromnetz ein. Im kommenden Jahr werde in Deutschland das erste sogenannte „Power Center“ ans Netz gehen, das Ökostrom zwischenspeichert. Kapazität? Zunächst bei 700 Megawattstunden, später bei einer Gigawattstunde. Das reiche aus, um ein Gaskraftwerk zu ersetzen. Weitere „Power Center“ sollen folgen. Damit erschließe sich der Konzern ein neues Geschäftsfeld in einem wachsenden Markt.

Puffer für Wind- und Solaranlagen

Die Anlagen sollen als Puffer für Wind- und Solarenergie dienen und so helfen, das Stromnetz zu stabilisieren. Denn nach wie vor müssten bei einem Überangebot immer wieder Windräder und Solaranlagen abgeschaltet werden. Das lasse sich mit großen Batteriespeichern ändern. VW geht davon aus, dass sich der Bedarf an solchen Batteriespeichern in Deutschland in den kommenden Jahren verzehnfachen werde. Zudem erschließe Europas größter Autobauer ein weiteres Einsatzgebiet für ausgediente E-Auto-Batterien, deren Leistung im Auto nicht mehr ausreicht, die aber noch genug Strom für Großspeicher aufnehmen können. Bei der ersten Anlage werde man zunächst zwar auf fabrikneue Batterien zurückgreifen müssen, da es noch nicht genügend Rückläufer aus Elektroautos gebe.