Die Unternehmen ächzen unter Personalmangel. Aktuell kann ein Drittel der Industriebetriebe in Österreich und jeder fünfte Dienstleistungsbetrieb nicht normal wirtschaften, weil zu wenig Personal da ist. Dabei fängt das Problem gerade erst an: Die Babyboomer gehen in Pension, zu wenige Junge kommen nach. Die Erwerbsbevölkerung – das sind die Menschen zwischen 25 und 64 Jahren – nimmt ab. In Kärnten wird sie bis 2050 um 17 Prozent sinken, in der Steiermark um zwölf Prozent. Schon jetzt kommen laut Agenda Austria österreichweit nur drei Arbeitslose auf eine offene Stelle. In der Steiermark und in Kärnten 2,6. Eine insofern problematische Quote, sehen Arbeitsmarktforscher in Österreich doch seit geraumer Zeit ein „Mismatch“. Sprich: Die Qualifikation der arbeitslosen Menschen passt sehr häufig nicht zu den Erfordernissen der Betriebe.
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Bedenklich schlecht steht Österreich im EU-Vergleich da. „Zwar ist das Phänomen Arbeitskräftemangel überall zu beobachten, und das Defizit nimmt überall zu. Dennoch ist der Arbeitskräftemangel in Österreich der stärkste aller EU-Staaten“, sagt Agenda-Austria-Ökonom Dénes Kucsera. Kucsera hat den Anteil der offenen Stellen an allen Stellen verglichen, im ersten Quartal 2024, also von Jänner bis März. Ergebnis: In Österreich ist der Anteil mit 4,5 Prozent am höchsten – vor Belgien und den Niederlanden mit 4,4 Prozent, Deutschland mit 3,5 Prozent. In Frankreich sind es 2,8 Prozent, in Italien 2,5, in Irland 1,1. Und dieser zweifelhafte „erste Platz“ ist nichts Neues – Österreich hat ihn bereits seit 2022 inne.
Und noch ein weiteres Detail schadet der Wirtschaft. Es ist die Zeit, die es braucht, eine offene Stelle zu besetzen. Kucsera: „In Österreich waren es zwischen 2013 und 2019 zwischen 20 und 40 Tagen. Aktuell sind es 70 Tage, die es dauert, eine Stelle zu besetzen.“ In Kärnten sind es aktuell 54 Tage, in der Steiermark 75.
Übersiedlungshilfe und Mobilitätsbonus
Wer macht die Arbeit, wenn keiner mehr da ist? Die Agenda Austria rät einmal mehr, das Arbeitslosengeld – derzeit 55 Prozent vom letzten Nettolohn – zu staffeln: zuerst mehr, um das Lebensniveau nicht so stark zu reduzieren, dann weniger, um einen Anreiz zu geben, arbeiten zu gehen. Auch die Zumutbarkeit der Wegzeit zum Arbeitsplatz gehöre ausgedehnt. Derzeit beträgt sie zwei Stunden am Tag, also eine Stunde hin und eine zurück. Drei Stunden am Tag wären laut der Denkfabrik ebenso zumutbar. Kucsera ist aber vor allem für positive Anreize wie etwa Übersiedlungshilfen oder einen Mobilitätsbonus, der als Steuergutschrift gezahlt werden könnte, wenn man in einem (Arbeitskräfte-)Mangelregion umzieht.