EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat einen Tag nach der ersten Zinssenkung seit fast fünf Jahren noch einen langen Kampf gegen die Inflation in Aussicht gestellt. Es werde noch eine ganze Weile dauern, bis die Inflation komplett aus der Wirtschaft verbannt sei, teilte Lagarde in einem Meinungsbeitrag mit, der in verschiedenen europäischen Zeitungen veröffentlicht wurde, darunter die finnische Zeitung „Keskisuomalainen“.
Bis dahin werde nicht alles glatt laufen. Wachsamkeit, Einsatz und Durchhaltevermögen seien gefragt. „Aus diesem Grund müssen die Zinsen so lange restriktiv bleiben, wie es notwendig ist, um auf Dauer Preisstabilität sicherzustellen“, führte sie aus. „Mit anderen Worten: Wir müssen den Fuß noch eine Weile auf der Bremse lassen, wenn auch nicht mehr ganz so fest wie bisher.“
„Legen uns nicht auf einen bestimmten Zinspfad fest“
Die EZB hatte am Donnerstag erstmals seit September 2019 wieder die Zinsen gesenkt. Den am Finanzmarkt maßgeblichen Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken von überschüssigen Geldern bei der Notenbank erhalten, verringerte sie auf 3,75 Prozent von bisher 4,00 Prozent. Der Leitzins wurde um einen Viertelprozentpunkt auf 4,25 Prozent nach unten gesetzt. „Wir legen uns nicht auf einen bestimmten Zinspfad fest“, hatte Lagarde auf der Pressekonferenz in Frankfurt nach dem Zinsbeschluss gesagt.
Die EZB habe große Fortschritte gemacht, aber der Kampf gegen die Inflation sei noch nicht vorbei, führte die EZB-Präsidentin in dem Meinungsbeitrag aus. „Für unsere künftigen geldpolitischen Beschlüsse wird entscheidend sein, ob wir weiter beobachten können, dass die Inflation zeitnah auf unseren Zielwert zurückkehrt, der Preisdruck in der Wirtschaft insgesamt nachlässt und unsere Geldpolitik weiter effektiv gegen die Inflation wirkt.“ Diese Faktoren würden vorgeben, wann es an der Zeit sei, die Bremse weiter zu lösen.
Die Inflation im Euroraum hatte im Mai auf 2,6 Prozent zugenommen nach 2,4 Prozent im April. Die EZB strebt 2,0 Prozent Teuerung als Optimalwert für die 20-Länder-Gemeinschaft an. Sorgen bereitete den Währungshütern zuletzt, dass das Lohnwachstum in der Euro-Zone im ersten Quartal überraschend kräftig ausgefallen war. Zudem hat sich die Inflation im Dienstleistungssektor als sehr hartnäckig.