Der Vater – unverheiratet, aber liiert – liegt nach einem schweren Herzinfarkt bewusstlos auf der Intensivstation. Weil er jedoch keine Patientenverfügung hat, haben weder sein Sohn noch seine Partnerin in diesem Fall das Recht, medizinische Entscheidungen für ihn zu fällen. Gleiches gilt für die Eltern einer erwachsenen Frau, die nach einem schweren Verkehrsunfall im Koma liegt. Niemand kann ihre Rechnungen bezahlen.

Den Gedanken, im Leben an einen Punkt zu kommen, an dem man nicht mehr in der Lage ist, selbst Entscheidungen zu treffen, verdrängt man gerne. Aber wenn sich der Gesundheitszustand derart verschlechtert, dass man von Rechts wegen bevormundet werden muss? Für diesen Fall sollte man Vorsorge treffen und eine Vorsorgevollmacht bzw. eine Patientenverfügung erstellen. „Waren die Menschen damit vor ein paar Jahren noch zögerlich, so werden diese Vollmachten heute immer mehr angenommen. Allein in unserer Kanzlei erstellen wir mit unseren Klienten mehrere pro Monat“, sagt Elvira Traar, Notarin aus Arnoldstein. Ilse Radl, Notarin aus Obervellach, ergänzt: „Und die Vollmachtgeber werden jünger, sind bei bester Gesundheit.“

Die Juristinnen machen daher nicht so sehr die steigenden Pflegefälle, die alternde Bevölkerung als Grund dafür aus. „Es wächst ganz generell das Bedürfnis nach rechtlicher Vorsorge als Möglichkeit der Selbstbestimmung. Und ich spüre bei meinen Klienten immer wieder eine Erleichterung, das gemacht zu haben.“

Angehörige, Freunde, Nachbarn

Eine Vorsorgevollmacht ist eine Vollmacht, die erst wirksam wird, wenn der Vollmachtgeber – für diejenigen Angelegenheiten, für die er die Vollmacht gegeben hat – nicht mehr handlungsfähig ist. Man kann damit festlegen, welche Person für einen Entscheidungen treffen darf, wenn man es selbst nicht mehr kann. „Meine Klienten erteilen sie meist Angehörigen, Freunden oder Nachbarn“, sagt Traar. „Man kann eine Person oder auch mehrere Personen benennen“, so Radl. Prinzipiell kann jeder Volljährige Bevollmächtigter sein. Wirksam wird die Vollmacht freilich erst, wenn die Handlungsfähigkeit tatsächlich verloren ist.

Die Angelegenheiten, für die man eine Vollmacht gibt, kann der Vollmachtgeber selbst definieren. Häufig ist es die Entscheidung in medizinischen Belangen, die Bestimmung des Aufenthaltsortes (etwa Betreutes Wohnen), die Vertretung vor Behörden und Gericht, die Postvollmacht (Briefe öffnen), die Vollmacht über Bankgeschäfte (Überweisungen tätigen), die Verfügung über Liegenschaften. „Die Vorsorgevollmacht wird personengenau zugeschnitten“, sagt Traar.

Für Unternehmer „ist es zudem wichtig, vorzusorgen, wer in der Firma das Sagen hat, wenn er selbst es nicht mehr kann. Denn die Geschäfte müssen ja weiterlaufen“, sagt Radl und rät generell zur (rechtlichen) Vorsorge im Unternehmen. „Wer zum Beispiel eine GmbH besitzt oder Anteile daran hat, sollte immer wieder den Gesellschaftsvertrag unter die Lupe nehmen, ob er noch aktuell ist.“

„Nur einmal im Leben – und man ist sicher“

Selbst zu Hause eine Vorsorgevollmacht schreiben und in die Schublade legen, geht nicht, denn eine Vorsorgevollmacht muss nicht nur höchstpersönlich und schriftlich verfasst, sondern auch formgültig sein. Sie wird in den Notariaten als Vertrag errichtet. „Und sie besteht nicht bloß aus dem Ausfüllen von Formularen. Wir Notare machen einen Notariatsakt daraus“, sagt Radl. Nichtsdestotrotz kann sie jederzeit widerrufen werden. Ansonsten gilt sie – für immer. Traar sagt: „Im Vergleich zu einer Gesundenuntersuchung, die man einmal im Jahr macht, ist das doch eine einfache Sache: Eine Vorsorgevollmacht braucht man nur ein einziges Mal zu machen – und hat seine rechtlichen Angelegenheiten geregelt.“

Ilse Radl, Notarin in Obervellach: „Es wächst generell das Bedürfnis nach rechtlicher Vorsorge als Möglichkeit der Selbstbestimmung. Auch bei Jüngeren“
Ilse Radl, Notarin in Obervellach: „Es wächst generell das Bedürfnis nach rechtlicher Vorsorge als Möglichkeit der Selbstbestimmung. Auch bei Jüngeren“ © Privat
Elvira Traar, Notarin in Arnoldstein: „Ehepartner, Partner oder Kinder sind nicht automatisch befugt, medizinische Entscheidungen über ihren Angehörigen zu treffen“
Elvira Traar, Notarin in Arnoldstein: „Ehepartner, Partner oder Kinder sind nicht automatisch befugt, medizinische Entscheidungen über ihren Angehörigen zu treffen“ © Weichselbraun

Auch eine Patientenverfügung ist ein Dokument, das Klarheit schafft. Es ist eine schriftliche Erklärung, dass in einer bestimmten Krankheitssituation bestimmte medizinische lebenserhaltende Maßnahmen nicht mehr durchgeführt werden. Man bestimmt damit also, was NICHT passieren soll – Beatmung etwa oder künstliche Ernährung. Eine Patientenverfügung, die bei einer Notarin oder einem Notar errichtet wird, wird auf Wunsch in das Patientenverfügungsregister des österreichischen Notariats eingetragen, das in Kooperation mit dem Roten Kreuz geführt wird. „Ich empfehle, eine Patientenverfügung in Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht zu erstellen“, sagt Radl. Zu bedenken gibt sie, dass eine Patientenverfügung im Gegensatz zur Vorsorgevollmacht alle acht Jahre erneuert werden muss. Es gibt zwei Varianten. Die weitaus häufigere ist die „verbindliche“ Patientenverfügung. Die „sonstige“ Patientenverfügung ist für die behandelnden Ärzte nur eine Richtlinie und nicht verpflichtend. Und der verfügte Widerspruch gegen lebensverlängernde Maßnahmen greift meist erst in der intensivmedizinischen Betreuung – und weniger bei der Ersthilfe bei einem Not- oder Unfall. Traar und Radl betonen nochmals, dass Ehepartner, Partner oder Kinder nicht automatisch befugt sind, medizinische Entscheidungen über ihre Angehörigen zu treffen. Ein verbreiteter Denkfehler.

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