Die Bilanz einer deutschen voestalpine-Tochter wurde jahrelang geschönt, in Summe geht es um etwa 100 Mio. Euro, wie gestern gegen Abend publik wurde. Der börsennotierte Stahlkonzern erwähnte die Vorkommnisse lediglich weit hinten im Geschäftsbericht. Das hat die Finanzmarktaufsicht (FMA) auf den Plan gerufen. Die Behörde sieht sich nun an, ob hier ein Verdacht auf eine Verstoß besteht, wie die APA heute erfuhr. Die Voest könnte gegen Publizitätsvorschriften verstoßen haben.
Möglicherweise kursrelevante Informationen müssen via Ad-hoc-Aussendung bekanntgegeben werden, damit alle Aktionärinnen und Aktionäre die Chance haben, zeitgleich davon in Kenntnis gesetzt zu werden. Die Sanktionen bei Verstößen gegen Ad-hoc-Pflichten sind sehr harsch. Es drohen Strafen bis zu 2,5 Millionen Euro oder 2 Prozent des Umsatzes. Die voestalpine erzielte im abgelaufenen Geschäftsjahr 2023/24 Verkaufserlöse in Höhe von fast 17 Milliarden Euro.
„Zu Recht sehr skeptisch“
„Aus meiner Sicht macht die Kommunikation kein gutes Bild, sie lässt am Transparenzwillen zweifeln“, sagte der Vorstand des Interessenverband für Anleger (IVA), Florian Beckermann, zur APA. Aktionäre würden dadurch „zu Recht sehr skeptisch“. Inhaltlich sollte man die Aufarbeitung durch Anwälte abwarten. „Nichtsdestotrotz ist eine intensive Diskussion auf der Hauptversammlung zu erwarten“, erwartet der Kleinaktionärsvertreter. Hernach werde man Verantwortlichkeiten feststellen.
Auch auf der gestrigen fast eineinhalbstündigen Bilanzpressekonferenz mit dem gesamten Vorstand wurde kein Wort über die millionenschwere Bilanzkosmetik verloren. Noch am selben Tag hatten dann zuerst die „Oberösterreichischen Nachrichten“ online über den Vorfall berichtet. In die Zahlenmanipulation sollen zumindest ein ehemaliger Geschäftsführer und ein Buchhalter involviert gewesen sein. „Wir können den Sachverhalt von bewusst ergebnisverbessernden Fehlbuchungen bei einer deutschen Gesellschaft der Metal Forming Division bestätigen“, hatte es auch auf Nachfrage der APA von der voestalpine geheißen.
Die Beurteilung, ob ein Sachverhalt eine Insiderinformation ist und daher ad hoc zu veröffentlichen ist, hat der Emittent, also die voestalpine, vorzunehmen. Diese ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass dies nicht der Fall ist und hat die bilanziellen Fehlbuchungen in der deutschen Gesellschaft lediglich weit hinten im Jahresbericht 2023/24 vermerkt. „Jetzt stellt sich die Frage, ob diese Einschätzung richtig gewesen ist“, sagte ein Börsenexperte im Gespräch mit der APA. Es dürfte ein Grenzfall sein. Im Vergleich zur Größe des Unternehmens mit Milliardenumsätzen falle die kolportierte Summe von 100 Mio. Euro nicht so sehr ins Gewicht. Der entscheidende Punkt sei aber, dass eine Bilanzmanipulation das Vertrauen ins Zahlenmaterial erschüttert und diese Vertrauenserschütterung zu einer Kursrelevanz führen kann, weil das die Investoren verschreckt, wenn man sich nicht auf die Zahlen verlassen kann, so der Marktkenner. Generell solle man eher einmal zu oft als einmal zu wenig veröffentlichen.
„Causa natürlich laufend auch eine Ad-hoc-Pflicht geprüft“
„Wir haben in dieser Causa natürlich laufend auch eine Ad-hoc-Pflicht geprüft und sind stets sehr eindeutig zu dem Ergebnis gekommen, dass eine solche nicht besteht“, sagte der Konzernsprecher der voestalpine, Peter Felsbach, am Donnerstag zur APA. Der Fall und seine bilanziellen Auswirkungen seien im Rahmen der Kapitalmarkt Compliance aus Konzernsicht zu beurteilen. Die bilanziellen Auswirkungen seien im Geschäftsbericht 2023/24 auf Seite 112 ff dargelegt. „Das Ergebnis der voestalpine AG im Geschäftsjahr 2023/24 entsprach darüber hinaus im Wesentlichen dem Ausblick“, fügte Felsbach hinzu. „Die Aufarbeitung der Causa ist darüber hinaus noch nicht abgeschlossen.“
Der Sachverhalt sei im Februar 2024 im Rahmen von konzerninternen Controllingaktivitäten identifiziert worden und werde derzeit gemeinsam von einem spezialisierten Berater und einer deutschen Rechtsanwaltskanzlei aufgearbeitet. „Es ist davon auszugehen, dass die Aufarbeitung der Ursachen noch bis Sommer 2024 andauern wird“, so der voestalpine-Sprecher. Es werde mit Hochdruck daran gearbeitet. Ob es dann zu zivilrechtlichen Klagen oder strafrechtlichen Anzeigen kommen werde, könne man erst nach Klärung des Sachverhalts entscheiden. „Jedenfalls werden wir nach Abschluss der Untersuchung die Ergebnisse entsprechend kommunizieren. Dazu einen Zwischenbericht vorzulegen, macht wenig Sinn“, hielt Felsbach fest.
Bei solchen Vorgängen geht es um eine Bewertungsfrage, die im Falle von Ermittlungen, in die höchsten Instanzen gehen kann. Die FMA selbst darf zu laufenden Verfahren keine Anfragen beantworten. „Wenn die FMA eine Sanktion verhängt, dann wird die Sanktion veröffentlicht“, hieß es am Donnerstag seitens der Behörde.
Sollte die FMA feststellen, dass der Verdacht auf einen Verstoß besteht, leitet sie ein Ermittlungsverfahren und in weiterer Folge eventuell auch ein Verwaltungsstrafverfahren ein. Gegen einen Bescheid der FMA können Firmen beim Bundesverwaltungsgerichtshof Einspruch erheben und später bis hin zum Verwaltungsgerichtshof gehen.
„Es ist unser gesetzlicher Auftrag, alle Auffälligkeiten zu prüfen - wir überwachen die Ordungsmäßigkeit des Handels börsennotierter Wertpapiere sehr eng, dazu gehört auch die Einhaltung der gesetzlichen Transparenzvorschriften und hier gehen wir jeder Auffälligkeit konsequent nach“, sagte ein Sprecher der FMA am Donnerstag zur APA.
Der ehemalige Geschäftsführer der betroffenen voestalpine-Gesellschaft sei später auch Vorstandsmitglied der Metal Forming Division gewesen und seit Herbst 2023 nicht mehr für den Konzern tätig, bestätigte die voestalpine. Die Fehlbuchungen seien nicht cashwirksam gewesen und es habe auch keinen Mittelabfluss gegeben, hieß es von der voestalpine. Aber die Bilanz 2022/23 habe berichtigt werden müssen und das Eigenkapital der voestalpine habe sich dadurch zum Bilanzstichtag 31. März 2024 von 7,6 auf 7,5 Mrd. Euro reduziert. Die finanziellen Folgen seien im Rahmen des Konzernabschlusses 2023/24 vollständig berücksichtigt, so die voestalpine.