Nach der Insolvenz des Reisekonzerns FTI sortiert sich der Markt für Pauschalreisen rasch neu: Die beiden größeren Konkurrenten der Nummer drei in Deutschland, Marktführer TUI und die Rewe-Tochter Dertour, sowie Alltours umwarben kurz nach Bekanntwerden der Pleite in dieser Woche FTI-Kunden mit Pauschalreise-Angeboten ohne die übliche Anzahlung. Die Reiseveranstalter sind zudem schon im Gespräch mit Hotels, die angesichts des Ausfalls von FTI nach neuen Partnern suchen.
„Der Milliardenkuchen wird unter den anderen Veranstaltern aufgeteilt“, sagte Tourismusexperte Torsten Kirstges von der Jade Hochschule Wilhelmshaven der Fachpublikation fvw. Mit FTI wird potenziell ein Umsatzvolumen von zuletzt vier Milliarden Euro im Jahr neu verteilt. TUI und Dertour könnten davon profitieren, da die Nachfrage am Reisemarkt hoch sei, ergänzte Kirstges. Die beiden größten Reisekonzerne erholten sich von der Corona-Krise mit Umsatzwachstum von rund einem Viertel auf 20,7 Milliarden Euro bei TUI und 7,2 Milliarden Euro bei Dertour im vergangenen Geschäftsjahr.
„Im intensiven Austausch mit unseren Hotelpartnern“
TUI werde mit Hoteliers in Zielgebieten zusätzliche Angebote zusammenstellen, kündigte Deutschlandchef Stefan Baumert an. Vor allem in den größten FTI-Märkten Türkei und Ägypten sind einem Sprecher zufolge TUI-Manager unterwegs, um mit Hotels ins Geschäft zu kommen, die bisher mit dem Rivalen aus München zusammenarbeiteten. Auch Dertour will Flug- und Hotelkontingente aufstocken mit schon länger eingeführten neuen Einkaufssystemen. In der jetzigen Situation planten zahlreiche Hotels auf Dertour um, sagte eine Sprecherin.
Wachstumschancen eröffnen sich zudem für kleinere Anbieter wie den auf Türkei-Reisen spezialisierten Veranstalter Bentour. „Seit Montag beobachten auch wir eine deutlich stärkere Nachfrage“, erklärte Marketingchef Christian Hauk. „Unser Einkaufsteam in der Türkei steht bereits im intensiven Austausch mit unseren Hotelpartnern vor Ort und hat von vielen feste Zusagen für erhöhte Kontingente zu guten Konditionen erhalten.“
Der vorläufige FTI-Insolvenzverwalter Axel Bierbach sagte, er prüfe Fortführungsmöglichkeiten für das insolvente Unternehmen und den Verkauf von Geschäftsbereichen. Bislang musste FTI Pauschalreisen, die zwischen dem 5. und 10. Juni starten, stornieren. Für Reisen ab 11. Juni von FTI und den Tochtermarken 5vorFlug oder BigXtra sucht Bierbach jetzt Lösungen. Es laufen demnach Gespräche mit anderen Reiseveranstaltern, die einspringen könnten.
Airlines, die an FTI Flugkontingente verkaufen, machen sich keine großen Sorgen über frei bleibende Sitzplätze in den Flugzeugen. „Die Lücke schließt sich schnell durch andere Veranstalter“, sagte eine Sprecherin von Condor. Da sich die Schwierigkeiten von FTI länger abzeichneten, seien die Volumen der Münchener schon eine Weile gesunken. Die wirtschaftlichen Folgen für den Ferienflieger seien voraussichtlich sehr begrenzt, da Urlauber kurzfristig woanders buchten und deshalb mehr Geschäft mit anderen Veranstaltern zu erwarten sei.
Lufthansa-Töchter prüfen Auswirkungen
Die Lufthansa-Töchter Eurowings und Discover Airlines prüfen die Auswirkungen des FTI-Zusammenbruchs noch. Sie sind allerdings weniger aktiv an den Hauptmärkten von FTI am östlichen Mittelmeer. Hier arbeitet der Reiseveranstalter stärker etwa mit der deutsch-türkischen Fluggesellschaft Sunexpress zusammen. „Wir werden unsere angebotene Sitzkapazität sowohl für Reisen in die Türkei als auch nach Ägypten unverändert beibehalten, um den Zugang zu den beliebten Urlaubsregionen sicherzustellen“, sagte Airline-Chef Max Kownatzki. Es gebe eine starke Nachfrage von allen großen Veranstaltern.
Im Falle eines erhöhten Bedarfs könne Sunexpress zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung zu stellen. Das könnte nötig sein, wenn viele der zurzeit rund 60.000 FTI-Kunden auf Reisen vorzeitig nach Hause wollen, was bisher nur vereinzelt der Fall sei. Ein Chaos wie bei der Pleite des Reiseriesen Thomas Cook 2019 mit Tausenden gestrandeten Urlaubern kann auch Condor bislang nicht ausmachen. Insolvenzverwalter Bierbach zufolge gelingt es bisher weitestgehend, dass die Urlauber trotz der Pleite ihre Ferienpläne nicht ändern müssen.
Insolvenz könnte deutschen Staat 510 Millionen Euro kosten
Dem deutschen Bund dürften nach der FTI-Pleite deutsche Staatshilfen in dreistelliger Millionenhöhe verloren gehen. Wie das „Handelsblatt“ in Düsseldorf am Mittwoch unter Verweis auf regierungsinterne Papiere berichtete, erwartet die Regierung einen Schaden von schätzungsweise 510 Mio. Euro. FTI hatte in der Coronakrise Hilfen aus dem deutschen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) erhalten und diese größtenteils noch nicht zurückgezahlt. Nach dem Bericht des „Handelsblatt“ erhielt der drittgrößte Reisekonzern Europas 603 Millionen Euro aus dem WSF. 93 Millionen zahlte FTI bis zu seiner Insolvenz zurück. Die FTI-Pleite macht damit annähernd die Hälfte der insgesamt erwarteten Verluste des WSF aus. Diese summieren sich der Aufstellung zufolge auf rund 1,1 Milliarden Euro.