Fortenova ist mit mehr als 47.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro eines der größten Unternehmen in Südosteuropa. Der in Kroatien gegründete Konzern dominiert vor allem den Lebensmittelsektor. Um Fortenova tobt nun ein Kampf zwischen einem Scheich und Investor aus Dubai und einem kroatischen Oligarchen, der bereits den kroatischen Energiesektor dominiert. Dieser Kampf hängt vor allem mit dem Krieg in der Ukraine zusammen; er und die Sanktionspolitik der EU zwangen die russische Sberbank, ihre Anteile an der Fortenova-Gruppe zu veräußern. Strittig ist jedoch, ob der Investor aus Dubai die Anteile tatsächlich gekauft hat oder nur als Strohmann für die Russen fungiert. Ausgetragen wird der Übernahmekrimi nicht nur in Kroatien, sondern auch vor Gerichten in Malta, den Niederlanden und vor dem EUGH in Luxemburg. Malta ist der Stammsitz der Firma des Oligarchen, die Niederlande der Sitz, wo die Gesellschaft beheimatet ist, der Fortenova gehört.
Der Kampf um die Vorherrschaft beim Konzern Fortenova ist auch ein Kampf um Macht und Einfluss in Kroatien selbst. Daher reagierte die Regierung in Zagreb rasch. Kurz nach der Übernahme durch Dubai Ende Oktober 2022 ließ Kroatien das Unternehmen SKB Art durch die EU auf die Russland-Sanktionsliste setzen. Es hält 40 Prozent und damit die relative Mehrheit an Fortenova. Die Begründung der Regierung lautet: die Transaktion sei fiktiv, die russische Sberbank sei weiter Eigentümer von SKB Art, denn der Investor aus Dubai habe an Moskau kein Geld überwiesen. Dieser Investor heißt Saif Alketbi; er erfüllt alle Klischees, die über den Reichtum von Scheichs im Umlauf sind. Sein Fuhrpark umfasst etwa zehn Luxusautos, von Mercedes bis hin zum Bentley. Alketbi hat mehrere Falken, 1200 Kamele und noch etwa 100 Rennkamele.
Der Scheich gibt an, rund 400 Millionen Euro für die Anteile an Fortenova bezahlt zu haben. Die Sberbank habe wegen der EU-Sanktionen verkaufen müssen, daher sei der Deal ein „Schnäppchen“ gewesen. Den Vorwurf, ein Strohmann für Russen zu sein, weist Saif Alketbi entschieden zurück. Auf die Frage, warum das Geschäft über die Gazprom-Bank vorfinanziert wurde, antwortet Saif Alketbi so:
„Es gab keine andere Lösung. Die Sberbank wollte schnell ihr Geld, und wir hatten keine Zeit. Daher bat ich die Gazprom-Bank um einen Kredit, wobei das Geld dann an die Sberbank überwiesen wurde. Die Gazprom-Bank steht nicht unter EU-Sanktionen; daher kann ich dann später von Dubai aus, den Kredit an die Gazprom-Bank zurückzahlen.“ Die kroatische Regierung behauptet, der Kredit an die Gazprom-Bank sei noch nicht zurückbezahlt. Stimmt das, wenn ja, warum? „Noch habe ich die 400 Millionen nicht an die Gazprom-Bank zurückgezahlt, aber ich bezahle regelmäßig Zinsen dafür. Mein Vermögen an Fortenova steht unter Sanktionen; daher wird mir niemand in Dubai auf mein Vermögen einen Kredit geben, solange es unter Sanktionen steht.“
Zweitgrößter Eigentümer ist der kroatische Oligarch Pavao Vujnovac. Groß und mächtig wurde er durch seine Geschäfte im Gassektor in Kroatien. Seine Gesellschaft Open Pass hält 28 Prozent an Fortenova. Sein Ziel soll es sein, die EU-Sanktionen gegen Dubai zu nutzen, um den Konzern völlig übernehmen zu können. Davon geht auch Miodrag Borojevic, der kroatische Berater des Scheichs in Zagreb aus: „Das, was jetzt geschieht, ist ein schwerer Missbrauch des Sanktionen-Regimes; dabei wird etwas ausgenutzt, was weder Sinn noch Ziel der Sanktionen war. Sie wurden gegen Russland aus anderen Gründen verhängt. Hier geht es um lokale Interessen und nichts anderes.“ Dabei spielt die Frage eine zentrale Rolle, ob und in welchem Ausmaß auch die Stimmrechte einer Gesellschaft von den Sanktionen betroffen sind. Diese Frage hat nun der Europäische Gerichtshof in Luxemburg ebenso zu klären, wie die Frage, ob die Gesellschaft zu Recht auf die Sanktionsliste der EU gesetzt wurde. Geklagt hat dagegen der Investor aus Dubai.
Macht und Einfluss von Pavao Vujnovac waren auch vor der Parlamentswahl in Kroatien ein Thema. Nicht nur die oppositionellen Sozialdemokraten kritisierten die ihrer Ansicht nach enge Verflechtung zwischen Regierung und Kapital; ein Beispiel dafür ist die Stellungnahme der SDP-Abgeordneten Marijana Puljak: „In Kroatien herrscht nicht nur Kapitalismus, sondern Freunderlwirtschafts-Kapitalismus. Daher ist es möglich, dass eine Person zum Monopolisten in mehreren Sektoren wird. So ist es Herrn Vujnovac durch seine Beziehungen zur Regierung gelungen, Monopolist im Energiebereich zu werden und jetzt will er auch in den Handel und so weiter einsteigen; all das geht wegen enger Beziehungen zur Regierungspartei HDZ.“
Die HDZ blieb stärkste Kraft im Parlament; dank der nationalistischen Heimatbewegung wird sie weiter an der Macht bleiben. Auf diese Bewegung soll Pavao Vujnovac großen Einfluss haben. Er war ebenso wenig zu einem Interview bereit wie die kroatische Regierung, die EU-Kommission und der EUGH in Luxemburg.