Er sei nicht hier, um „Beweihräucherung“ zu betreiben, sagt Stefan Stolitzka an diesem Montagmittag gleich zu Beginn. Kurz darauf beginnt er, Bilanz zu ziehen. Bilanz über vier Jahre, die Stolitzka an der Spitze der steirischen Industrie stand. Vier Jahre, denen zahlreiche globale Krisen anhaften, die bis weit in die Steiermark strahlen.
Der scheidende IV-Präsident über …
… die Coronazeit. Weil Georg Knill als österreichischer Industrie-Präsident nach Wien wechselt, wird das Amt des IV-Chefs in der Steiermark vakant. Stefan Stolitzka übernimmt im Sommer 2020 und damit zu einer Zeit, die bereits stark von den Auswirkungen der Coronapandemie geprägt ist. „Sehr intensiv, sehr schwierig“, seien diese Wochen und Monate gewesen, erinnert sich Stolitzka. Aber auch „wertvoll“. Weil man gesehen hätte, dass es im Land, und speziell in der Steiermark, „hohe Bereitschaft zur Zusammenarbeit“ geben würde.
… den steirischen Automotive-Sektor. Zuletzt gab es einige schlechtere Botschaften aus der Automotive-Industrie, AVL und Magna etwa gaben bekannt, Belegschaft in beträchtlichem Ausmaß abzubauen. Stolitzka sieht das für den Standort so wichtige Segment dennoch „zukunftsfit aufgestellt“. Die aufgetretenen Schwierigkeiten hätten „immer einzelne Bereiche oder Projekte“ betroffen und wären nie auf systemische Gründe zurückzuführen gewesen.
… das Forschungsland. Die Steiermark sei ein „starkes Forschungsland“, sagt Stolitzka – „und ich wünsche mir, dass es so bleibt“. Zugleich äußert der Industrielle seinen Eindruck, dass die hohe steirische Forschungsquote häufig „entkoppelt von der Fertigung“ gesehen werde. Ein Fehler, so Stolitzka. Denn: „Wir können nicht nur ein Forschungsland sein, der Standort muss auch in der Fertigung stark sein.“ Letzteres würde zurzeit von steigenden Lohnkosten massiv erschwert. In vier Jahren hätten sich die Lohnstückkosten im Land um „28 Prozent erhöht“.
… schnelleres Internet. Schon in seinem Antrittsinterview mit der Kleinen Zeitung, im Juli 2020, betonte Stolitzka die Notwendigkeit eines deutlich schnelleren Breitbandausbaus in der Steiermark. Vier Jahre später befindet der Industrie-Präsident diesbezüglich, dass „erfreulicherweise sehr viel passiert“ sei. Statistiken, die die Steiermark einst als Schlusslicht führten, würden das Bundesland nun „im besseren Mittelfeld“ positionieren.
… fehlende Infrastruktur. Es sei ein Thema, für das „extrem langer Atem“ notwendig sei, betont Stefan Stolitzka. Gemeint ist der Bereich „Infrastruktur“ und konkret der von IV-Seite lange geforderte Ausbau von A 9 und S 37. Aufs Tapet bringt Stolitzka abermals die aus seiner Sicht notwendige Koralmbahn-Haltestelle beim Flughafen Graz, um dann überhaupt eine Lanze für Inlandsflüge zu brechen. Für die Industrie sei eine „Fluganbindung essenziell“, sagt Stolitzka.
… Kinderbetreuung. „40 Prozent der Teilzeitbeschäftigten seien wegen Betreuungsaktivitäten“ nicht in Vollzeitbeschäftigung, erklärt der scheidende IV-Präsident. Der größte Hebel, um gegen den Fachkräftemangel anzukommen, sei also ein Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Stolitzka: „Hier tun Land und Bund einfach zu wenig.“
… Kurt Maier. Bei der Vollversammlung am 3. Juli wird Stolitzka, wie berichtet, den Heinzel-Group-Vorstand Kurt Maier als seinen Nachfolger vorschlagen. Der Bruch mit der eigenen Tradition, bis dato standen der steirischen IV stets Eigentümer und nicht angestellte Manager vor, sei logisch, erklärt Stolitzka. Immerhin sei auch die Mehrheit im IV-Vorstand heute als Manager tätig.
… seine Zukunft. Nach acht Jahren als Vizepräsident und vier Jahren als Präsident wird Stolitzka wieder „normales“ Mitglied im Vorstand der IV Steiermark. Der Rückzug habe „ganz persönliche Gründe“, schildert der 65-Jährige, der künftig „mehr Zeit in Wien verbringen“ wird. Nicht zuletzt sei er als Eigentümer des Schuhherstellers legero united ohnehin zeitlich sehr gefordert.