Hört man sich in den Chefetagen der heimischen Regionalbanken um, ist hinsichtlich der nahenden EZB-Zinssitzung breiter Konsens zu vernehmen: „Alles ist angerichtet für eine Zinssenkung im Juni: Inflation und Konjunktur rechtfertigen eine etwas weniger restriktive Geldpolitik der EZB“, erklärt Manfred Wilhelmer, der Vorstandssprecher der Raiffeisen Landesbank Kärnten. Nachsatz: „Aber sie rechtfertigen keine sehr rasche Lockerung – aufgrund der Sorgen um den Kostendruck bei der Lohnentwicklung auf europäischer Ebene.“

Manfred Wilhelmer  (RLB)
Manfred Wilhelmer (RLB) © Weichselbraun Helmuth

Zwei weitere Zinssenkungen stehen laut Wilhelmer auf dem Plan: „In diesem Zinssenkungszyklus wird die EZB gegenüber der Fed mit einem Vorsprung starten.“

Siegfried Huber (Kärntner Sparkasse)
Siegfried Huber (Kärntner Sparkasse) © Markus Traussnig

Ein bis zwei Senkungen im zweiten Halbjahr

Ganz ähnlich Siegfried Huber, Vorstandssprecher der Kärntner Sparkasse: „Wir gehen von einer Zinssenkung um 25 Basispunkte im Juni und ein bis zwei Zinssenkungen im zweiten Halbjahr aus.“ Johannes Jelenik, der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Kärnten, stößt ins selbe Horn: „Wir gehen davon aus, dass im Juni die erste Zinssenkung mit 25 Basispunkten erfolgt und der Leitzins in zwei weiteren Schritten bis Jahresende auf 3,75 Prozent gesenkt wird.“ BKS-Vorstandsdirektorin Herta Stockbauer hält eine Zinssenkung der EZB am 6. Juni für „durchaus möglich“. Sollte sich die wirtschaftliche Lage nicht signifikant verbessern, erwartet die BKS-Chefin ein bis zwei weitere Leitzinssenkungen 2024. „Alles andere als ein Einstieg in die Zinssenkungen würde sicher zu Unsicherheit am Finanzmarkt führen – so eine Überraschung würde sich für die EZB nicht auszahlen“, ist Wilhelmer überzeugt. „Die Kapitalmärkte rechnen mit drei Senkungen in diesem Jahr“, führt Christian Jauk, Chef der Grawe-Bankengruppe, ins Treffen.

Christian Jauk (Grawe)
Christian Jauk (Grawe) © Aufreiter Georg

Effekte einer Zinssenkung

Welche Effekte hätte die Zinssenkung? Zumindest einen Impuls, der zur Belebung der lahmenden Konjunktur beitragen kann, wird in den heimischen Instituten erwartet. Das sei psychologisch wichtig, senke aber auch die Finanzierungskosten und könnte, so die Erwartung, für Rückenwind bei der Wirtschaftsentwicklung und damit bei Investitionen sorgen, so die Einschätzung von Dieter Hengl, Firmenkundenvorstand der Unicredit Bank Austria. Auch BKS-Chefin Stockbauer glaubt, dass Leitzinssenkungen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und das Konsumvertrauen positiv beeinflussen. Derzeit sei die Stimmung schlechter als die aktuelle Lage, meint Stockbauer. Die Zinswende sei „mit Blick auf die Konjunktur zwar positiv, eine wesentliche Verbesserung der Wirtschaftslage lässt sich daraus aber nicht ableiten“, erklärt Jauk. Er gibt auch zu bedenken, dass die Inflationsrate in Österreich für eine Zinssenkung „eigentlich noch zu hoch ist. Die Ungleichheit der Euroländer ist nach wie vor das Dilemma der EZB“, so Jauk.

Herta Stockbauer (BKS Bank)
Herta Stockbauer (BKS Bank) © APA / Eva Manhart

Entspannung in schwierigen Zeiten

„Für Österreich sind Leitzinssenkungen wichtig, da hohe Abhängigkeit von variabler Finanzierung bei Haushalten und Unternehmen bestehen“, analysiert Wilhelmer. „Das bedeutet auch etwas Entspannung in schwierigen Zeiten, bei schwacher Konjunktur im Euroraum-Vergleich.“ „Für die Konjunktur ist auch eine kleine Zinssenkung sehr wichtig – sie kann nur ein erster Schritt einer Wende sein“, erklärt Huber, der von einem „vorausschauenden psychologischen Effekt auf die Märkte“ spricht. „Damit wird die Wirtschaft wieder leichte Fahrt aufnehmen“, meint Jelenik. „Sowohl im Euroraum als auch in Österreich.“

Johannes Jelenik (Volksbank)
Johannes Jelenik (Volksbank) © Helge Bauer

Längerfristig denken

Auf der Anleihenseite seien Anleger nach wie vor mit einer sogenannten „inversen Zinskurve“ konfrontiert, länger laufende Anleihen weisen also tiefere Renditen auf als kurzfristige Anleihen. Eine Situation, die sich mit den erwarteten Zinssenkungen wohl auflösen wird. Sparer sollten sich jetzt das noch höhere Zinsniveau langfristig sichern, raten Volksbank-Chef Jelenik und RLB-Vorstandssprecher Wilhelmer. „Trotz des Rückgangs der Inflation in den letzten Monaten ist es weiterhin so, dass die Realverzinsung am Sparkonto negativ ist“, so Huber. Deshalb empfehle man generell, nicht mehr als drei Monatsgehälter als Liquiditätsreserve am täglich fälligen Sparkonto zu belassen. „Eine sichere Veranlagung hat kaum Schwankungen, meist jedoch auch geringere Ertragschancen“, warnt Wilhelmer. Er und seine Kollegen raten zur individuellen Beratung. BKS-Chefin Stockbauer empfiehlt diversifizierte Veranlagungsstrategien. Besonders hervorzuheben sei die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Jauk: „Es lohnt sich, längerfristig zu denken und sich das Zinsniveau für die nächsten Jahre zu sichern. Anleihen guter und bester Bonität sind dazu gut geeignet.“ Auch Anleihenfonds seien „bei fallenden Zinsen interessant“.