Jeder Tag, das gleiche Spiel: Pro. contra, irgendwo mittendrin beim Thema Strafzölle auf chinesische Autos. Der Hintergrund? Die EU-Kommission prüft deshalb Strafzölle, weil sie aufgrund staatlicher chinesischer Unterstützung eine Verzerrung des Marktes vermutet. Chinesen könnten laut EU ihre Autos deshalb günstiger anbieten.
Was bisher nicht so dramatisch eingetroffen ist, wenn man sich die aktuellen Preise ansieht. Aber die Chinesen haben ihre Vorteile in der Wertschöpfung noch gar nicht ausgespielt. Der elektrische BYD Seagull zum Beispiel, der in China 8900 Euro kostet, wird in Europa um einen Preis von knapp unter 18.000 Euro aufschlagen. Abzüglich der österreichischen Förderung kann man so Preise von unter 13.000 Euro realisieren. Dazu kommt, dass chinesische Hersteller auch mit Hybriden den Markt fluten wollen.
Auch Europa wäre betroffen
Die finale Entscheidung zu treffen, ob man die Strafzölle wirklich umsetzt, ist nicht so einfach: Mehrere große europäische Hersteller arbeiten mit chinesischen Unternehmen zusammen und produzieren auch Autos, die nach Europa gebracht werden, wie etwa BMW (Mini). Dementsprechend fallen auch die Aussagen aus: BMW-Chef Oliver Zipse warnt davor, mögliche Strafzölle würden auch europäischen Herstellern schaden. Weit mehr als die Hälfte aller aus China eingeschifften E-Fahrzeuge stammte im vergangenen Jahr von westlichen Herstellern, wie Tesla, Dacia und eben BMW.
Mercedes-Chef Olla Källenius will überhaupt alle Zölle abschaffen. „Null in alle Richtungen!“, sagte er vor Kurzem zur Kleinen Zeitung. Denn: „Führt China nach Europa ein, sind zehn Prozent Zoll angesagt. Von Europa nach China sind es 15 Prozent. Von den USA nach Europa sind es zehn Prozent, von Europa nach USA 2,5 Prozent.“
Chinesen für 25 Prozent
Die Chinesen ließen derweil gezielt durchsickern: Ein Experte eines staatlichen Forschungsinstituts sprach von 25 Prozent Einfuhrzoll, der für westliche Verbrennerfahrzeuge mit größeren Motoren gelten soll. Das dürfte insbesondere die deutschen Autobauer BMW und Mercedes treffen.
Unmittelbar fürchten die Autohersteller die Chinesen nicht, es geht um die nächsten Jahre. Stellantis-Chef Carlos Tavares sprach unlängst auf einer Reuters-Veranstaltung von einer „darwinistischen Periode“, in der die Branche derzeit stecke. Der Preiskrieg mit den chinesischen Rivalen werde „sehr hart“. „Es wird nicht leicht für die Händler. Es wird nicht leicht für die Zulieferer. Es wird nicht leicht für die Autobauer selbst.“ Elektroautobauer aus China hätten derzeit einen Kostenvorteil von 30 Prozent. Was der kostenbewusste Tavares selbst nutzen möchte. Stellantis gründete ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem chinesischen Hersteller Leapmotor und will Leapmotor-Fahrzeuge vertreiben und in Europa, abseits der Zölle, produzieren. „Wir versuchen, selbst chinesisch zu werden“, sagte Tavares. „Wir wollen Teil der chinesischen Offensive werden.“
Musk schwankt
Je nach Interessenlage schwankt jedoch der eine oder andere Hersteller zwischen Zustimmung und Ablehnung. Tesla-Chef Elon Musk sagte zuletzt etwa: „Tesla behauptet sich auf dem chinesischen Markt ganz gut ohne Zölle und ohne Unterstützung“, sagte Musk. „Ich bin dafür, keine Zölle zu erheben.“ Im Jänner hatte er allerdings gewarnt, ohne Handelsschranken würden die chinesischen Autohersteller ihre Konkurrenten „demolieren“. Dazwischen liegt die Erlaubnis, dass Daten chinesischer Tesla-Fahrer Insidern zufolge künftig vor Ort zum Training einer Künstlichen Intelligenz (KI) für selbstfahrende Autos genutzt werden können.
Bidens politisches Manöver
Politisch heizten die von US-Präsident Joe Biden verhängten Zölle gegen Importe aus China auch die europäischen Diskussionen an. 100 Prozent auf chinesische E-Autos waren aber nur eine innenpolitische Schmähparade: Die von den USA aus China importierten Elektroautos seien mit rund 12.000 Stück pro Jahr zahlenmäßig so gering, dass ein Umleiten in andere Zielmärkte praktisch nicht zu spüren sei.
EU-Wahl: Spaltung unausweichlich
Politisch, und natürlich mitten im EU-Wahlkampf, war damit die Spaltung unausweichlich. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, der Deutsche Bernd Lange (SPD), rechnet laut „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ damit, dass auch die EU bald Zölle auf chinesische Elektroautos erheben werde. „Ich gehe davon aus, dass die Untersuchungen unfairer Handelspraktiken bei einigen Produkten zu Ausgleichszöllen führen werden“, sagte Lange dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, bis 5. Juni die chinesischen Autobauer zu informieren, für die zusätzliche Anti-Dumping-Zölle gelten sollen.
Langes Chef, Bundeskanzler Olaf Scholz plädiert gegen Strafzölle. Genauso wie Deutschlands Finanzminister Christian Lindner, der vor einem Handelskrieg gewarnt hat. Auf Dumping und unfaire Praxis müsse man reagieren, dabei dürfe man aber nicht den freien und fairen Welthandel insgesamt schwächen.
Ein Überlebenskampf?
Volkswagen-Technikvorstand Thomas Schmall sagte zumindest, dass in Europa jetzt ein „Masterplan“ nötig sei. Die USA hätten mit dem Inflation Reduction Act einen guten Vorstoß gemacht, auch in China gebe es klare Pläne für Industrie und Politik. Ähnliches fehle in Europa. „Die Tür schließt sich“, sagte er. „Meiner Einschätzung nach haben wir noch zwei oder drei Jahre Zeit. Wenn wir nicht schnell sind und Gas geben, wird es wirklich schwierig, als deutsche Branche zu überleben.“
Sprich und summiert, aus Sicht der Industrie: Europa solle zwar keine Strafzölle auflegen, weil das dem eigenen Geschäft schaden würde. Aber ein ähnliches, milliardenschweres Investitions-Unterstützungsprogramm, wie der amerikanische Inflation Reduction Act, wäre willkommen. Bloß nähert man sich dann irgendwie auch den chinesischen Praktiken an – und wir alle würden und müssten dafür mit Steuergeldern zahlen.
Milliarden an staatlichen Subventionen würden in chinesische Hersteller fließen, analysiert das IfW Kiel. „Die EU ist Chinas wichtigster Abnehmer für Elektrofahrzeuge und hat entsprechende Verhandlungsmacht“, sagte Hinz. Weil die Chinesen Europa als Hauptziel auserkoren haben. „Die Kommission sollte der Subventionspolitik Pekings nicht tatenlos zusehen, sich allerdings auch nicht von den USA instrumentalisieren lassen“, erklärte das IfW.
Der einzige Ausweg, Magnas Hoffnung
Der einzige Ausweg aus dem Dilemma: Chinesische Hersteller siedeln sich in Europa an, etwa, wie es die Koreaner gemacht haben. Ein Teil der Wertschöpfung bliebt damit in Europa, wie Experten sagen. BYD geht diesen Weg bereits und baut in Ungarn ein Werk. Dort wolle man kleine Elektro-Autos bauen, ein Segment, das die Europäer zum Teil fallen gelassen haben.
Kommen die Strafzölle, machen sich Auftragsfertiger wie Magna Steyr in Graz große Hoffnungen. Zuletzt wurden chinesische Hersteller wie Chery, Saic, Geely in Graz, Namen wie Nio oder Xpeng werden ins Spiel gebracht. Um ihre Ziele zu erreichen, müssen sie schnell ins Produzieren kommen. Klar ist nur eines: Je höher die Strafzölle, desto wenigen fallen die Lohnkosten ins Gewicht und desto wahrscheinlicher wird eine Produktion in Graz. Letztlich geht es nur noch um diese Rechnung.