Wenig Nachfrage, gestörte Lieferketten, eine Cyberattacke – und Restrukturierung: Gute Nachrichten aus dem deutschen Batteriekonzern Varta, der mehrheitlich dem Österreicher Michael Tojner gehört, sind aktuell Mangelware. Ein Lichtblick kommt aus Graz. In der Landeshauptstadt gibt es eine lange Tradition in der Batterieforschung, aus der heraus Varta 2009, damals gemeinsam mit der Technischen Universität, ein Forschungszentrum gründete – die heutige Varta Innovation. Ihrer Entwicklungsarbeit ist es unter anderem zu verdanken, dass Vartas Miniakkus, etwa in kabellosen Kopfhörern namhafter Hersteller, zu einem großen kommerziellen Erfolg wurden – wenn auch die Nachfrage nach den kleinen Lithium-Ionen-Knopfzellen gerade stark schwankt.
„Die Marktgegebenheiten werden sich aber wieder ändern und daher ist es wichtig, dass wir unsere Innovationskraft weiter stärken“, sagt Stefan Koller. Der Leiter der Varta Innovation hat gerade mit seinem 32-köpfigen Team aus Forscherinnen und Forschern und dem gesamten Laborequipment den Umzug abgeschlossen – von den beengten Räumen am TU-Campus in den Grazer Innovationspark. Dort wurden 800 Quadratmeter Bürofläche neu errichtet und fast 3000 Quadratmeter Halle in eine High-Tech-Forschungsstätte verwandelt. Investitionsvolumen: 33 Millionen Euro – inklusive einer 10-Millionen-Förderung des Klimaschutzministeriums.
„Österreichs größter Trockenraum“
Bei der Summe hat der Konzern trotz der aktuellen Flaute keine Abstriche gemacht. Viel Geld floss und fließt etwa in neue Gerätschaften – wie ein Elektronenmikroskop von Zeiss um eine halbe Million Euro oder einen Kalander um rund 1,7 Millionen Euro. Das 50 Tonnen schwere Walzwerk, es steht auf einer 80 Zentimeter dicken Stahlbetonplatte, presst mit ungeheurer Kraft den Energiespeicher (Lithium-Nickel-Kobalt-Manganoxid) auf eine dünne Folie aus Aluminium. „Im Labor schaffen wir drei Meter pro Minute, in der Massenproduktion sind es 30 Meter pro Minute“, erklärt Koller.
Der Kalander steht, so Koller, „in Österreichs größtem Trockenraum“, überhaupt sei der neue Standort nun die erste Adresse im Land, was die Batterieforschung angehe. Dafür war unter anderem auch der Einbau von Aggregaten und einer aufwändigen Lüftungstechnik nötig. „Wir sind am neuen Standort deutlich schneller in der Produktentwicklung und haben ein geringeres Übertragungsrisiko, da unsere Geräte die Massenproduktion gut abbilden – sie sind nur mit viel mehr Sensorik ausgestattet.“ Den Strom für die sehr energieintensive Arbeit – Koller rechnet mit bis zu 50 Megawattstunden im Monat – deckt zum Teil eine PV-Anlage ab.
Ein Teil der Investitionen beinhaltet die Aufstockung der Forschungsstellen von 32 auf 50 bis zum Jahresende. Qualifiziertes Personal zu finden, sei eine Herausforderung. Doch die TU Graz mit ihren rund 15.000 Studierenden ist nah und Varta bietet „industrienahe Dissertationsthemen“ an. Koller: „Wir bieten ein sehr attraktives, flexibles und familienfreundliches Umfeld, das in Österreich einzigartig ist.“ Auch europaweit zählt man sich nun zu den größten Testlabors für Batterien.
Woran in Graz geforscht wird
Große Sprünge in der Batterietechnologie gibt es aber nicht, jahrelange Entwicklungszeiten sind bis heute normal. So haben sich die Ziele der Varta Innovation über die letzten Jahre auch wenig verändert. Es geht um die Steigerung der Energiedichte, um effizientere, weniger energieintensive Fertigungsprozesse, um die Substitution problematischer Materialien wie Kobalt und Nickel und um die Vermeidung und Wiederverwertung von Fertigungsabfällen. Künstliche Intelligenz soll helfen, die Zahl der Versuche zu reduzieren, die Entwicklung zu beschleunigen und Kosten zu sparen. Das Anwendungsfeld künftiger Technologien reicht vom Internet of Things bis zum Automotive-Bereich.
Einen Fokus legt Varta aktuell auf die Entwicklung von Elektroden auf Siliziumbasis. „Im Bereich der Lithium-Ionen-Zellen bietet Silizium ein erhebliches Potenzial“, sagt Koller, „es weist eine dreimal höhere Speicherfähigkeit für Lithium-Ionen als das heute verwendete Grafit auf und eignet sich für verschiedene Materialkombinationen.“ Die erste Generation silizium-basierter Elektroden in kleinformatigen Knopfzellen könne schon bald am Varta-Hauptsitz in Ellwangen in Serie produziert werden.