Die gegenwärtige Geschäftslage in steirischen Betrieben sieht – über eine Vielzahl an Branchen hinweg – nicht allzu rosig aus. Insbesondere aus Teilen der Produktionswirtschaft waren zuletzt Hiobsbotschaften zu vernehmen, die sich auch am Arbeitsmarkt widerspiegeln. Und der Ausblick? „Flaute statt Frühjahrsbelebung“ hieß es zuletzt seitens des steirischen Arbeitsmarktservices. Ende April waren um 12,4 Prozent mehr Menschen in der Steiermark arbeitslos vorgemerkt als vor einem Jahr. Inklusive der Schulungsteilnehmer lag das Plus sogar bei 13,3 Prozent, in Summe hatten zurzeit also 41.810 Steirerinnen und Steirer keinen Job. Die Investitionszurückhaltung ist nach wie vor stark ausgeprägt, auch die Insolvenzzahlen sind zuletzt wieder deutlich gestiegen, vorwiegend in der Bauwirtschaft, im Handel und in der Gastronomie. Kurz: Die Lage ist und bleibt schwierig.
Was kann zur lange ersehnten Trendwende beitragen? Hört man sich in steirischen Betrieben um, ist dazu viel nötig, insbesondere auch in Bezug auf die standortpolitische Rahmenbedingungen. Zumindest einen Lichtblick machen steirische Wirtschaftstreibende aber auch hinsichtlich der nahenden Zinswende der EZB aus. Zwar wird nur eine Mini-Zinssenkung erwartet, dennoch könnte dies, so das Meinungsbild, zumindest für erste – zumindest zarte – wirtschaftliche Impulse sorgen. Eine Umfrage.
Doris Enzensberger-Gasser, geschäftsführende Gesellschafterin von Lieb Bau Weiz: „Die erwartete Zinssenkung ist ein positives Signal, insbesondere im Bereich des privaten Bauwesens. Es ist ein erster Schritt, um das Interesse privater Bauherren wieder zu entfachen – ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau: Denn nicht nur die hohen Kreditzinsen, sondern auch die strengen Kreditvergaberichtlinien haben zu einem regelrechten Absturz im Segment des klassischen Häuslbauers geführt. Eine einmalige Zinssenkung wird jedoch noch nicht ausreichen, um signifikante Impulse zu setzen. Vor allem, da neben den Zinssätzen auch andere wichtige Faktoren die österreichische Wirtschaft massiv beeinflussen: Stark gestiegene Lohn- und Gehaltskosten und die Energiepreise erhöhten die Gesamtkosten für Bauvorhaben. Daher ist es ebenso wichtig, dass Maßnahmen wie die Senkung der Lohnnebenkosten und Anreize für Mehrarbeit eingeführt werden, um die Belastungen für Unternehmen zu verringern. Es sind viele kleine Mosaiksteine, die wirtschaftspolitisch neu angeordnet werden müssen, um den Baumotor wieder anzukurbeln.“
Josef Herk, Präsident der steirischen Wirtschaftskammer: „In der steirischen Wirtschaft sind die Erwartungen und Hoffnungen auf eine spürbare Zinssenkung seitens der EZB groß. Unsere Unternehmen brauchen dringend einen solchen Konjunkturimpuls, um in den kommenden Monaten wieder auf einen Wachstumskurs einzuschwenken. Vor allem die heimische Bauwirtschaft und die damit verbundenen Branchen leiden massiv unter den hohen Kreditzinsen, die in Kombination mit regulatorischen Hemmnissen wie der KIM-Verordnung zu einem regelrechten Einbruch geführt haben. Private Kreditvolumina sind zuletzt um 70 Prozent gesunken, was in erster Linie zulasten des Hochbaus ging und in der Folge auch andere Bereiche wie Produktion, Handel, Immobilienwirtschaft und Logistik massiv in Mitleidenschaft gezogen hat. Allein im Wohnbau ist 2024 ein Rückgang des Bruttoproduktionswertes von mehr als zehn Prozent prognostiziert. An Gegensteuerungsmaßnahmen führt aus unserer Sicht kein Weg vorbei. Mit der längst überfälligen Zinssenkung sollte zumindest ab der zweiten Jahreshälfte wieder Dynamik im Baubereich Einzug halten. Das Land Steiermark hat hier mit seinem Wohnbaupaket ja bereits mustergültig vorgelegt. Nun müssen die EZB und der Bund mit Blickrichtung Leitzinsen und KIM-Verordnung entsprechend nachziehen, dann werden wir konjunkturell bald wieder bessere Zeiten sehen.“
Herbert Brunner, Geschäftsführer von Flugzeugzulieferer Antemo: „Jede Reduzierung von Zinsen hilft den Betrieben und der Wirtschaft. Denn eine moderate Zinspolitik setzt zusätzliche Mittel für Investitionen in Personal, Innovation und neue Technologien frei. Die jetzige Trendwende ist dahingehend zu begrüßen. Insbesondere da der rasante Zinsanstieg auf über vier Prozent alle Unternehmen getroffen hat, die Bankinvestitionen tätigen – was bei der Vorfinanzierung von Großprojekten nahezu unumgänglich ist. Die angekündigte Zinsreduktion wird sich auch positiv auf das wirtschaftliche Klima auswirken. Das ist speziell vor dem Hintergrund einer unbeständigen Konjunktur wichtig. Die Zinssenkung alleine reicht allerdings bei weitem nicht aus: Um eine Deindustrialisierung zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich zu sichern, ist ein gemeinsames Einlenken von Wirtschaft, Gewerkschaften und staatlichen Stellen erforderlich. Es muss eine schlanke, effiziente Staatsführung und ein Bürokratieabbau angestrebt werden, die ohne Kürzung sozialer Leistungen auskommt und gleichzeitig die Last für Unternehmen und minimiert. Denn, so ehrlich müssen wir sein: Kommt es zur Abwanderung der Industrie, bleiben auch kleine und mittlere Betriebe, die von industriellen Auftraggebern abhängig sind, auf der Strecke. Denn Familienbetriebe können nicht ohne weiteres ins Ausland verlagert werden.“
Martina Hubmann, Geschäftsführerin von „Steirerkraft“-Produzent Estyria: „Als weltweit führender Produzent von Ölkürbis, Saatmais und Käferbohnen haben wir uns das Ziel gesetzt, bis 2030 energieautark zu agieren. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir zuletzt rund acht Millionen Euro in nachhaltige Projekte investiert. Neben der Erweiterung unserer Photovoltaikanlagen haben wir eine neue Energiezentrale geschaffen, die CO2 im Ausmaß von knapp 100.000 Bäumen kompensiert. Ein positives Wirtschaftsklima ist unerlässlich, um derartig nachhaltige Initiativen erfolgreich umzusetzen. Die geplante Zinssenkung trägt dazu bei, dieses Klima zu fördern, indem sie die finanziellen Bedingungen für Investitionen verbessert. Auch wenn die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Zinssenkung vorerst überschaubar bleiben werden, signalisiert sie vor allem eines: Zuversicht! In einem global wirtschaftlich angespannten Umfeld, wie wir es derzeit erleben, ist dies von hohem Wert. Dieses Signal stärkt das Vertrauen und führt zu erhöhter Bereitschaft, zu investieren und zu konsumieren – das kurbelt die Wirtschaft weiter an. Allerdings: Mit einer einmaligen Zinssenkung alleine wird keine Konjunktur entfacht werden können. Es braucht nun weitere, auch wirtschaftspolitische Maßnahmen wie die Senkung der Lohnnebenkosten, um die positiven Effekte auf die Realwirtschaft zu stärken.“
Hermann Talowski, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk: „Der ganz große Wurf ist eine erste Senkung um 0,25 Prozentpunkte zwar nicht, aber wir hoffen schon, dass es im Laufe des Jahres noch zu weiteren Zinsschritten nach unten kommt. Zumindest einen psychologischen Impuls kann das schon auslösen, positive Signale haben wir jedenfalls bitter nötig. Es wird natürlich mehr brauchen, um aus dieser schwierigen Konjunkturlage hinauszukommen und wieder eine Stabilisierung bei der Auftragslage im steirischen Handwerk zu erreichen. Die Verunsicherung im Markt ist noch immer groß. Aber wenn Zinssenkungen und damit wieder etwas günstigere Finanzierungskosten dazu beitragen können, indem Investitionen wieder etwas angekurbelt werden, dann wäre das schon einmal eine Bewegung in die richtige Richtung.“
Michaela Froelich, Commercial Direktor bei Axis Flight Training Systems: „Die jüngste Trendwende in der Zinspolitik der Europäischen Zentralbank ist ein vielversprechendes Signal. Vor allem für unsere Kunden ist das ein Vorteil: Diese profitieren davon, da diese verbesserte finanziellen Kreditbedingungen zur Finanzierung unserer hochwertigen Flugsimulatoren vorfinden. Das ist besonders in einem Umfeld wichtig, in dem die Kosten für Infrastruktur und Bau von Trainingscenter zum Betrieb der Simulatoren erheblich gestiegen sind. Wir gehen auch davon aus, dass die Leitzinssenkung dazu beiträgt, wieder mehr Planungssicherheit zu gewinnen: Eine klare Trendwende in der Zinspolitik gibt uns, unseren Kunden und hochspezialisierten Lieferanten mehr Sicherheit bei der Planung zukünftiger Investitionen. Diese erhöhte Vorhersehbarkeit ist entscheidend für strategische Investitionsentscheidungen und langfristige Projekte. Die Zinssenkung ist der erster Schritt in die richtige Richtung, muss nun aber durch weitere Maßnahmen flankiert werden, um eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung zu fördern und die Wettbewerbsfähigkeit für Europa zu erhöhen. Denn eine einmalige Zinssenkung um 0,25 Prozent allein wird nicht ausreichen, um umfassende positive Effekte auf die Realwirtschaft zu entfalten.“