Es ist eine Marktwarnung, die die OMV in dieser Form wohl noch nie aussprechen musste: Die Gazprom könnte der OMV schon bald kein Gas mehr liefern. Das „Aus“ der jahrzehntealten Geschäftsbeziehung, die dem russischen Gas den Weg nach ganz Europa öffnete, gilt unter Experten als sicher. Hintergrund ist ein Gerichtsurteil, das ermöglicht, die OMV-Zahlungen an Gazprom zu pfänden.
„Dass die Gazprom, die für den Export hohe Gebühren und auch den Transport zahlen muss, dann einfach ohne Einnahmen weiterliefert, das ist nicht zu erwarten,“ sagt der ehemalige E-Control-Chef Walter Boltz. Unmittelbar müsse so eine Pfändung nicht eintreten, die zeitliche Verzögerung schätzt Boltz auf zwei, drei Monate. Ob das dann das Ende der eigentlich bis 2040 vereinbarten Lieferverträge der OMV mit Gazprom sei? Boltz: „Ja. Vielleicht gibt es noch Verhandlungen über Teilzahlungen, aber ich gehe davon aus, dass das wohl das Ende für die Lieferverträge bedeutet.“
Schon länger Teil der Szenarien
In eine Mangellage wird Österreich nach Aussagen der E-Control aufgrund der zu 77 Prozent gefüllten Speicher nicht kommen. Die Versorgung sei gesichert, schreibt die E-Control. Das gelte jedenfalls für den kommenden Winter sowie auch für den Winter 2025/26 durch weitere Infrastrukturmaßnahmen. Ein Ausfall der Gazprom-Lieferungen ist schon länger Teil der Szenarien, die die Behörde für Österreichs Gasversorgung berechnet.
Die teilstaatliche OMV ist ebenfalls seit längerer Zeit vorbereitet - durch alternative Liefervereinbarungen etwa mit Norwegen und LNG-Lieferungen über Rotterdam. Die Pipeline-Kapazitäten werden immer über Auktionen im Sommer vergeben. Erst vor wenigen Tagen hatte Öbag-Chefin Edith Hlawati in ihrer Rolle als Eigentümervertreterin betont, dass die OMV ihre Kunden binnen eines Tages ohne Gazpromgas versorgen könne.
Preisliche Folgen der neuen Situation
Preislich dürfte sich die völlig neue Situation aber sehr wohl auswirken. Im Vorteil ist, wer sich als Versorgungsunternehmen oder Industriebetrieb in den vergangenen Wochen einen Jahresvertrag zum günstigen Fixpreis sicherte. Gas war an den europäischen Spotmärkten billig, kostete unter 30 Euro pro Megawattstunde. Wer jetzt für 2025 kauft, ist erst ab 37 Euro dabei.
„Kein Mengenproblem“
Ein Mengenproblem gibt es aber nicht, betont Boltz. Es sei genug Gas vorhanden. Die mangelnde Vorausplanung vieler Unternehmen bezeichnet Boltz als „ärgerlich“. Der zu erwartende Preisanstieg sei zwar „eine Kleinigkeit im Vergleich zu 2022“, aber man habe die Warnungen aus dem Energie-Ministerium nicht hören wollen. „Auf höhere Gewalt wird sich niemand mehr ausreden können, um massenweise Verträge zu kündigen,“ so Boltz. „Dazu gibt es auch bereits ein Rechtsgutachten.“ Ein um zehn Prozent höherer Gaspreis gehe aufgrund der Merit Order grob gerechnet leider auch mit einem 20 Prozent höheren Strompreis einher, beides treffe besonders die Industrie.
Kaum Informationen
Die OMV geizte am Mittwoch mit Information. Mit der „Urgent market message“ an den europäischen Gas-Hub CEGH warnte sie vor der möglichen Pfändung. Welches Gericht welchem europäischen Energieunternehmen sozusagen den Exekutionstitel erteilte, nannte die OMV nicht. Dass es sich um den deutschen Uniper-Konzern handeln könnte, der nach einem Lieferstopp durch Gazprom durch Verstaatlichung vor der Pleite gerettet werden musste, wurde nicht bestätigt.
Dass wie üblich Verfahren vor internationalen Schiedsgerichten die Konflikte mit Gazprom regeln könnten, dieser Weg ist völlig verbaut. Um die Gazprom vor Schiedssprüchen und damit Zahlungsverpflichtungen zu schützen, werden alle Klagen gegen die Gazprom trotz ganz anders lautender Vereinbarungen in den Lieferverträgen ausschließlich in St. Petersburg abgehandelt, wo Gazprom sitzt.
Ausgerechnet Mittwochvormittag erließ das Handelsgericht in St. Petersburg laut Austria Presseagentur ein Urteil gegen die OMV Gas Marketing & Trading GmbH, dass diese 575 Millionen Euro zahlen müsse, sollte sie ein in Stockholm laufendes Schiedsverfahren gegen die Gazprom fortführen.