Sollten sich nicht alle Auguren täuschen, bringt die Zinssitzung der Europäischen Zentralbank am 6. Juni eine Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozent, also von 4,5 auf 4,25 Prozent. 4 Prozent bekommen aktuell Banken, wenn sie das Geld ihrer Sparer bei der Zentralbank horten. Nach fast zwei Jahren, in denen die Leitzinsen – zugegeben vom Nullpunkt aus – nur eine Richtung kannten, nach oben, kommt das einer Zäsur gleich. Auch für Sparer.  

Bei Spar- und auch Kreditzinsen wurde die von allen erwartete Trendwende vom Markt bereits vorweggenommen, die kurze Hochphase liegt also schon wieder hinter uns. Das zeigt sich auch darin, dass Sparer derzeit bei kurzfristiger Veranlagung teilweise sogar etwas mehr holen können als bei langfristiger. „Wir beobachten seit Dezember, dass die Sparzinsen wieder sinken. Das betrifft vor allem Festgeldangebote”, stellt Andreas Ederer, Head of Banking bei Durchblicker, fest. Dabei zeige sich ein ungewöhnliches Bild: „Die meisten Banken und Sparkassen bieten derzeit für längerfristige Geldanlagen niedrigere Zinsen an als für einjähriges Festgeld.“ Dahinter stecke freilich die Erwartung an die zukünftige Zinspolitik der EZB – also an bevorstehende Zinssenkungen. So sind beispielsweise die durchschnittlichen Festgeld-Zinsen in Österreich bei dreijähriger Jahre Bindung seit Dezember um 0,46 Prozentpunkte gesunken.

2023 legten die Zinssätze im Neugeschäft auf der Einlagenseite noch deutlich zu. Neu abgeschlossene Einlagen mit vereinbarter Laufzeit erreichten laut Nationalbank im Oktober 2023 mit durchschnittlich 3,52 Prozent den höchsten Wert seit 2008. Seither ist ein leichter Rückgang zu erkennen. Im Jänner 2024 belief sich der Wert „nur“ mehr auf 3,18 Prozent. Im Schnitt konnte für eine kurze Bindung deutlich höhere Zinsen – 3,25 Prozent für ein Jahr – als für täglich fällige Spareinlagen (1,75 Prozent) erzielt werden. Insgesamt wurden 2023 von den österreichischen Haushalten beachtliche 54,8 Milliarden Euro neue gebundene Einlagen bei inländischen Banken veranlagt – der der höchste Wert seit 2013.

Kurzfristig oder langfristig binden?

Für kurzfristiges Festgeld mit 12 Monaten Bindung gibt es laut Durchblicker aktuell bis zu 3,4 Prozent Zinsen, für drei Jahre Bindung sind maximal 3,35 Prozent drin. Wenn es die persönliche finanzielle Situation erlaube, sei jetzt „noch ein guter Zeitpunkt, um Erspartes länger zu binden“, sagt Ederer. Bei fünf Jahren Bindung sinkt die maximal mögliche Verzinsung auf höchstens 3,25 Prozent. Für täglich fälliges Tagesgeld gibt es aktuell laut Durchblicker-Sparzinsengleich inklusive Bonuszinsen noch bis zu 3,60 Prozent. „Wer nicht wechselt und sein Geld mit 0,01 Prozent unverzinst am Sparkonto lässt, verliert bei einem Betrag von 20.000 Euro rund 450 Euro im Jahr“, warnt Ederer. Denn die durchschnittlichen Zinskonditionen für Tagesgeld liegen in Österreich mit 1,54 Prozent doch deutlich unter Europa mit 3,0 Prozent.

Ähnliche Dimensionen weist die „Transparenzplattform für Spareinlagenzinsen“ der Nationalbank aus. Ein Maximum von 3,5 Prozent für Spareinlagen, die 6 Monate gebunden werden – danach sinkt der maximal mögliche Zins auf 3,25 Prozent. Doch Achtung, das sind die Höchstwerte am Markt – Median bzw. durchschnittliche Zinssätze liegen zumeist ein oder mehr Prozent darunter, der Minimalzinssatz sogar noch deutlicher. Vergleichen lohnt sich also.

Höhere Zinsen, bis zu 4,2 Prozent auf täglich fällige Einlagen, lassen sich bei ausländischen Direktbanken, die auch in Österreich aktiv sind, holen, etwa bei der estnischen BigBank, der deutschen Plattform „TradeRepublic“ oder der deutschen Direktbank N26. Allerdings gelten im Verlustfall die jeweiligen Einlagensicherungen, für die korrekte Versteuerung der Zinserträge müssen die Kunden selbst sorgen.

Auch wenn der Markt bereits eine gewisse Zinssenkung eingepreist hat: Wer Geld anzulegen hat, sollte nicht auf den 6. Juni warten. Ob danach unmittelbar weitere Senkungen der Leitzinsen ins Haus stehen, ist offen. Der Pfad ist aber wohl vorgegeben – es geht abwärts.