Rund um die stockenden KV-Verhandlungen bei den heimischen Fahrradbotinnen und Essenzustellern erhöht die Gewerkschaft neuerlich den Druck. So werden die Beschäftigten heute in der Hauptbestellzeit zwischen 17.30 und 22 Uhr ihre Warnstreiks fortsetzen, kündigte die Gewerkschaft vida an. Bereits in der vergangenen Woche fanden Proteste statt. Heute wird laut vida bei Lieferando und Foodora in Wien gestreikt sowie in Salzburg, Graz, Innsbruck und Klagenfurt vor den Lieferando-Zentralen.
Das Ringen um einen neuen Kollektivvertrag hat auch nach mittlerweile sechs Runden zu keinem Ergebnis geführt. Die Gewerkschaft fordert für die rund 2000 Betroffenen ein Lohnplus von 8,7 Prozent, die Arbeitgeber bieten 5,8 Prozent. „Die Arbeitgeber und die Wirtschaftskammer Österreich sind nicht bereit, über faire Löhne zu verhandeln, die über der Armutsgrenze liegen“, kritisiert Markus Petritsch, Vorsitzender des Fachbereichs Straße in der Gewerkschaft vida. Ein Lohnplus von 8,7 Prozent würde Preisaufschläge nach sich ziehen, die die Kunden nicht mittragen würden. Das würde wiederum in der Gastronomie Umsätze und Jobs kosten, warnt unterdessen Lieferando.
Forderungen „realitätsfern“
Anfang des Monats hatte auch der in der Wirtschaftskammer zuständige Fachverband Güterbeförderung von „realitätsfernen Forderungen“ der Gewerkschaft gesprochen, das Arbeitgeberangebot von 5,8 Prozent sei ein „Maximalangebot“. Foodora merkte indessen an, kein aktiver Teil des KV-Verhandlungsteams zu sein. Man bringe ich aber ein und wünsche sich einen raschen Kompromiss, „den auch wir selbstverständlich mittragen werden“.
Der Fahrradboten-KV ist zudem nur für rund die Hälfte der in Österreich arbeitenden Fahrradlieferanten gültig, viele sind als freie Dienstnehmer beschäftigt. Insgesamt gibt es in Österreich rund 4500 Fahrradboten, nur rund 2.000 davon sind auch nach Kollektivvertrag angestellt. Vor allem Lieferando stellt seine Mitarbeiter nach KV an, bei Foodora sind laut Angaben des Unternehmens rund 95 Prozent der Flotte freie Dienstnehmer. Beim finnischen Anbieter Wolt, der nur in Wien vertreten ist, gibt es nur freie Dienstnehmer und Selbstständige.
Es gibt daher auch Unstimmigkeiten innerhalb der Branche. „Österreichs Fahrradboten und Kollektivvertrag-Arbeitgeber brauchen zuerst faire Wettbewerbsbedingungen durch vergleichbare Beschäftigungsmodelle für vergleichbare Arbeit bei vergleichbaren Anbietern“, kritisiert man seitens Lieferando. Foodora hält dagegen, dass die Fahrradboten das freie Dienstverhältnis selbst wollen würden. Sie hätten bei Foodora die Wahl zwischen einer normalen Anstellung und einem freien Dienstverhältnis, die meisten würden die Flexibilität des freien Dienstverhältnisses vorziehen. Diese freien Dienstnehmer seien zudem kranken-, unfall-, pensions- und arbeitslosenversichert und erhielten einen Stundenlohn von durchschnittlich 13,20 Euro exklusive Trinkgeld. Im Vorjahr sei die durchschnittliche Bezahlung um 10 Prozent erhöht worden. Außerdem seien einige Maßnahmen ergriffen worden, um die Rahmenbedingungen der Botinnen und Boten zu verbessern.
„Höhere Personalkosten als die Konkurrenz“
Lieferando sieht sich jedenfalls im Nachteil und plädiert daher gegen eine weitere Lohnerhöhung für die Angestellten. Man zahle bereits hohe Löhne und biete eine sicheren Festanstellung nach Kollektivvertrag und habe daher deutlich höhere Personalkosten als die Konkurrenz. Jede Lohnerhöhung treffe aber „einseitig Anbieter mit Kollektivvertragsbindung“ und verschärfe die Wettbewerbsvorteile der anderen Anbieter, so das Unternehmen weiter.
Die vida hält trotz allem an ihrer Forderung eines vollen Teuerungsausgleichs fest. Der derzeitige Bruttomonatslohn liege mit 1730 Euro bei einer 40-Stunden-Woche netto knapp an der aktuellen Armutsgrenze. Das Durchschnittsalter eines Fahrradboten in Österreich läge im Schnitt bei 30 Jahren, bis zur Pension seien es also noch rund 35 Jahre. Sollte es keinen Lohnabschluss über der Inflation des Vorjahres geben, wirke sich das wegen des fehlenden Lebenseinkommens auch deutlich negativ auf die Pensionshöhe aus.