Hört man sich in den Chefetagen der heimischen Regionalbanken um, ist hinsichtlich der nahenden EZB-Zinssitzung breiter Konsens zu vernehmen: „Ich gehe davon aus, dass bei der nächsten EZB-Sitzung im Juni eine Zinssenkung um 25 Basispunkte erfolgt“, sagt Gerhard Fabisch, Vorstandschef der Steiermärkischen Sparkasse. „Wir gehen davon aus, dass die EZB mit der Senkung des Zinssenkungszyklus am 6. Juni beginnt“, betont auch der Generaldirektor der Raiffeisen Landesbank (RLB), Martin Schaller. Und auch der Volksbank Steiermark, ertönt auf die Frage, ob fix mit einer Zinssenkung im Juni zu rechnen sei, ein klares: „Ja, wir gehen von einer ersten Zinssenkung aus“, wie Generaldirektorin Monika Cisar-Leibetseder ausführt. Und dann? „Wir rechnen noch mit mindestens zwei weiteren bis Jahresende.“ Das wären dann in Summe um 0,75 Prozentpunkte tiefere Leitzinsen als die derzeitigen 4,5 Prozent. Schaller für das Gesamtjahr von „drei bis vier Senkungen zu je 25 Basispunkte bis Jahresende aus“, also unterm Strich von bis zu einem Prozentpunkt bis Ende 2024. Ähnlich die Einschätzung von Gerhard Fabisch: „Für die Zeit nach der Juni-Sitzung hat sich der EZB-Rat noch nicht festgelegt und gibt vor, dass alles von den kommenden Daten abhängig sei. Ich erwarte allerdings, dass es im laufenden Jahr 2024 noch zwei, höchstens drei weitere Zinssenkungen im gleichen Ausmaß geben wird.“ BKS-Vorstandsdirektorin Herta Stockbauer hält eine Zinssenkung der EZB am 6. Juni für „durchaus möglich“. Sollte sich die wirtschaftliche Lage nicht signifikant verbessern, erwartet die BKS-Chefin ein bis zwei weitere Leitzinssenkungen 2024.

Positiver Einfluss auf Investitionsbereitschaft

Mit welchen Effekten? Zumindest einen Impuls, der zur Belebung der lahmenden Konjunktur beitragen kann, wird in den heimischen Instituten erwartet. Das sei psychologisch wichtig, senke aber auch die Finanzierungskosten und könnte, so die Erwartung, für Rückenwind bei der Wirtschaftsentwicklung und damit bei Investitionen sorgen, so die Einschätzung von Dieter Hengl, Firmenkundenvorstand der Unicredit Bank Austria. Auch Stockbauer glaubt, dass Leitzinssenkungen die Investitionsbereitschaft der Unternehmen und das Konsumvertrauen positiv beeinflussen. Derzeit sei die Stimmung schlechter als die aktuelle Lage, so Stockbauer.

Aktien? Anleihen?

Was bedeuten die langsam sinkenden Leitzinsen für Konsumentinnen und Konsumenten – gibt es Punkte, die sie bei der Geldanlage nun besonders beachten sollten? „Sinkende Zinsen entlasten die privaten Haushalte als auch die Unternehmen und somit die Wirtschaft insgesamt. In einem solchen Umfeld werden Aktien relativ zu Anleihen wieder attraktiver und sollten von dieser Entwicklung profitieren“, so Fabisch, der aber zu Bedenken gibt: „Neben den Zinsen sind aber die Bewertungen und die erwartete Entwicklung der Unternehmensgewinne weitere wichtige Einflussgrößen.“ Demnach empfehle man etwa, „bei den sehr gut gelaufenen US-Technologieaktien zumindest die Gewinne abzuschöpfen und in Teilbereiche des Aktienmarktes zu investieren die günstiger bewertet sind“. Diese, so Fabisch, wären in Europa und in den Emerging Markets zu finden, wenngleich insgesamt im Aktienteil die USA aufgrund der Wirtschaftsdynamik weiter die dominante Rolle spielen sollte. „Für mutige Anleger könnte speziell ein Blick nach China langsam wieder interessant werden, da die Aktienmärkte dort deutlich korrigiert haben.“ Für Investoren, „die langfristig die Inflationsrate schlagen wollen“, sei eine „Aktienquote von mindesten 30 Prozent“ ratsam, sagt Fabisch.

Auf der Anleihenseite seien Anleger nach wie vor mit einer sogenannten „inversen Zinskurve“ konfrontiert, länger laufende Anleihen weisen also tiefere Renditen auf als kurzfristige Anleihen. „Diese Situation wird sich aber mit den zu erwartenden Zinssenkungen mehr und mehr auflösen“, so Fabisch. „Daher raten wir im Anleihenbereich zu Laufzeiten über fünf Jahren um sich das derzeitige Zinsniveau für eine entsprechende Zeitspanne zu sichern.“

„Renditeumfeld der Anleihen nutzen“

Auch Martin Schaller betont: „Wir rechnen damit, dass sich die inverse Situation, also der Rückgang im kurzfristigen Bereich, etwas abschwächt.“ Seine Empfehlung: „Wir empfehlen unseren Kundinnen und Kunden – unter Berücksichtigung des individuellen Investmentprofiles – derzeit unter anderem defensive Mischfonds.“ Diese Fonds würden „einen höheren Anleihenanteil von bis zu 70 Prozent aufweisen. „Hier kann man das Renditeumfeld der Anleihen nutzen und sich ein gutes Zinsniveau für die nächsten Jahre sichern. Auch bei Investments in Anleihen sollten unterschiedliche Laufzeiten genutzt werden“, betont Schaller.

„Jetzt gilt es, sich das aktuelle Zinsniveau zu sichern“, lautet auch der Appell von Volksbank-Chefin Cisar-Leibetseder. Empfehlenswert sei in diesem Zusammenhang, sich entsprechende Beratung in der Bank zuteil werden zu lassen.

Da es auch im Anleihenssegment im Bereich der Emerging Markets „noch deutlich attraktivere Investitionsmöglichkeiten und das sogar mit gutem Rating“ gebe, lohne sich ein „Blick über den Tellerrand“, sagt Gerhard Fabisch. Die gegenwärtige Rekordjagd beim Goldpreis führt er übrigens auch auf „die Schuldensituation der westlichen Welt“ zurück. Diese habe sich „seit der Corona Pandemie nicht verbessert – im Gegenteil. Die USA weisen eine Neuverschuldung von über sieben Prozent auf und das in einem guten wirtschaftlichen Umfeld.“ Fabisch: „Das erklärt derzeit vor allem auch die Entwicklung des Goldpreises. Wir empfehlen langfristigen Investoren eine Quote von circa zehn Prozent.“ BKS-Chefin Stockbauer empfiehlt eine diversifizierte Veranlagungsstrategie. Besonders hervorzuheben sei die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten.