Es begann bunt und blumig: Laut Gründungsmythos fuhr das amerikanische Ehepaar Susie und Douglas „Doug“ Tompkins mit einem Kombi durch Kalifornien und verkaufte selbstgenähte Kleidungsstücke. Daraus entstand die Marke „The North Face“, daraus wiederum 1968 die Marke „Esprit“ – bald folgten Niederlassungen in Hongkong und Düsseldorf. In den Jahrzehnten bis heute hat die ehemalige Hippie-Marke irgendwo zwischen Führungswechseln und Machtkämpfen zwischen Europa und Hongkong ihre Handschrift und ihren Kundenbezug verloren. „Wir sind uns einig, dass die Marke Esprit für nichts mehr steht“, sagte der ehemalige Vorstand Andres Kristiansen kurz vor seinem Rücktritt.

Jetzt ist Esprit zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren in die Pleite gerutscht. Am 15. Mai meldete die Esprit Europe GmbH wie berichtet Insolvenz an (samt den deutschen Töchtern, nicht aber der Österreich-Tochter) und trägt sich damit in die Liste derer ein, die ihren Esprit zuletzt verloren haben: Peek & Cloppenburg Düsseldorf, Jones, Tally Weijl Austria, Hallhuber, Gerry Weber, Salamander – alle insolvent.

Passantin vor einer Esprit-Filiale. Zuerst bunt, dann bieder
Passantin vor einer Esprit-Filiale. Zuerst bunt, dann bieder © APA / Sebastian Kahnert

Der Umsatz des gesamten Textilhandels in Österreich lag 2023 laut Statista bei rund 9,68 Milliarden Euro und ist somit im Vergleich zu 2022 gestiegen. Der durchschnittliche Pro-Kopf-„Verbrauch“ im Jahr: 62 Stück. Auch in Deutschland erhöhte sich der Umsatz mit Mode im ersten Halbjahr 2023 um neun Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Allerdings liegt das einerseits auf den gestiegenen Verbraucherpreisen, die sich für Bekleidung und Schuhe 2023 laut Statista um fünf Prozent (in Österreich) erhöhten. Und andererseits daran, dass sich der Umsatz, wie RegioData-Geschäftsführer Wolfgang Richter ausführt, „ins Internet verlagert“. Das statistische Wachstum geht an vielen (ursprünglich) stationären Modehändlern vorbei. „Ein Drittel der Ausgaben für Mode werden in Österreich online getätigt – der höchste Wert aller Handelssegmente“, sagt Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will. Für 70 Prozent der jungen Österreicher unter 25 Jahren ist Online-Shopping Alltag, ergab die aktuelle Jugendstudie von Ö3.

Secondhand-Käufe sind Lifestyle

Je mehr Konsumenten online einkaufen, desto stärker sinkt die Passantenfrequenz in der Stadt. Das führt zu weiteren Ladenschließungen und das wiederum zu einem abermaligen Attraktivitätsverlust der Innenstädte, die der klassische Standort der Modehändler sind. Ein Teufelskreis.

Aber das ist noch nicht alles: Rezession und Inflation gehen sowohl den Konsumenten als auch den Modehändlern an den Kragen, die KV-Erhöhungen verbessern das Konsumverhalten nur – verhalten. Zusätzlichen Druck bekommt die Branche durch die gestiegenen Kosten für Mieten, Personal und Energie. Und die Einkaufsgewohnheiten ändern sich: Für 28 Prozent der jungen Österreicher gehört der Kauf von Secondhand-Kleidung zum Lifestyle – auch das ein Ergebnis der Ö3-Studie.

Fussl-Chef Mayr: „Von Mensch zu Mensch“

Sind die prominenten Pleitiers also nur die Spitze des Eisbergs? Immerhin haben der warme April und die frühen Ostern dem Modehandel in Österreich heuer gut getan. Und es gibt Marktteilnehmer, die sogar expandieren: Der Non-Food-Diskonter Woolworth zum Beispiel, dessen Sortiment zu einem Gutteil aus Bekleidung besteht, feiert nach 15 Jahren ein Comeback in Österreich. In Mürzzuschlag und Kapfenberg hat sich Woolworth bereits niedergelassen, gerade wurde eine große Filiale in der Lugner City in Wien aufgesperrt. Auf 30 Geschäfte will das Billig-Kaufhaus bis Ende 2024 in Österreich kommen. Auch das oberösterreichische Familienunternehmen Fussl Modestraße widersteht der Krise und wächst. Aktuell hat Fussl 200 Läden. Das Konzept: persönliche Beratung, geschickte Standortwahl, Bodenständigkeit auch im Sortiment. Geschäftsführer Ernst Mayr: „Wir verkaufen von Mensch zu Mensch. Und bieten tragbare Kleidung, mit der man gut angezogen und sicher ist.“

Den Zeitgeschmack, also die Balance zu finden zwischen der Lust nach Abwechslung und dem Bedürfnis nach Anpassung der Modekäufer, ist nicht unwesentlich. Die Luxus-Marke Gucci hat bereits ihre Schlüsse gezogen. Sie will jetzt nicht mehr auffallen, sondern schlichter, dezenter, sprich: langweiliger werden. Um wieder Erfolg zu haben.