Weil im Ringen um „bessere“ Kollektivverträge noch immer keine Einigung eingefahren wurde, streiken die Fahrradboten und Essenszustellerinnen in Österreich erneut. Am Mittwoch, dem 15. Mai, bleiben die E-Bikes zwischen 11 und 14.30 Uhr in der Garage und es wird kein Essen ausgeliefert. Die Lieferando-Mutter Just Eat beruhigt indessen alle Hungrigen mit der Information, dass „die meisten Restaurants mit eigenen Boten selbst ausliefern“. Darüber hinaus rechnet man mit einer nur „überschaubaren Streikbeteiligung“.

In Wien wird bei Lieferando und Foodora gestreikt. In Graz, Innsbruck und Klagenfurt an den Lieferando-Standorten. „Die Arbeitgeber bzw. die Wirtschaftskammer Österreich haben sich seit Mitte März keinen Millimeter in den Verhandlungen bewegt. Sie verweigern den 2000 Beschäftigten, für die der Kollektivvertrag gilt, nach wie vor eine volle Abgeltung der Inflation“, kritisiert Markus Petritsch, Vorsitzender des Fachbereichs „Straße“ in der Gewerkschaft Vida. Schon im März hatte es Warnstreiks gegeben. Foodora entgegnet, „dass wir kein aktiver Teil des Verhandlungsteams sind. Im Sinne aller Beteiligten wünschen wir uns einen raschen und für beide Seiten tragbaren Kompromiss, den auch wir selbstverständlich mittragen werden“.

Bewusst in die Länge gezogen?

Vida vermutet, dass „die Wirtschaftskammer die Verhandlungen bewusst in die Länge zieht, sodass die Gewerkschaftsforderung im Vergleich zu den aktuell niedrigeren Preissteigerungen hoch anmutet“. „Die Verhandlungen laufen aber schon seit Monaten und die zugrunde liegende durchschnittliche Inflation war 2023 eben viel höher als heute“, sagt Petritsch.

Das Angebot der Arbeitgeber liegt – immer noch – bei 5,8 Prozent. Die Gewerkschaft fordert – immer noch – 8,7 Prozent auf Basis der rollierenden Inflation aus 2023. „Wir fordern den Sozialpartner auf, endlich ein faires Angebot auf den Tisch zu legen, wie es die Beschäftigten in Hotellerie und Gastronomie erhalten haben. Dort werden ab Mai 2025 auch 2000 Euro Bruttomindestlohn überschritten“, so Petritsch.

„Arbeit darf nicht arm machen“

Vida-Verhandlungsleiter ist Toni Pravdic. Auch er sagt: „Es ist nicht einzusehen, dass Beschäftigte, die bei jedem Wetter mit durchschnittlich 15.000 geradelten Kilometern im Jahr einmal die halbe Erdkugel umkreisen, nicht einmal einen vollen Teuerungsausgleich bekommen.“ Der Monatslohn in der Niedriglohn-Branche liege mit 1730 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche netto knapp an der aktuellen Armutsgrenze, die in Österreich nicht ganz 1400 Euro ausmacht. Pravdic: „Arbeit darf nicht arm machen, sie soll ein gutes Leben ermöglichen. Daher müssen wir jetzt beim Arbeitskampf die Schraube weiter anziehen. Wenn nötig so lange, bis die Arbeitgeber den Ernst der Lage der Beschäftigten endlich zur Kenntnis nehmen.“

„Können nur verteilen, was wir erwirtschaften“

Von den Arbeitgeber-Konzernen heißt es: „Wir können nur verteilen, was wir erwirtschaften.“ Die geforderte Erhöhung um 8,7 Prozent würde alleine die Personalkosten arbeitgeberseitig auf 19 Euro pro Stunde treiben. Die dafür nötigen Preisaufschläge könne sich kein Kunde leisten. Zudem argumentiert die Lieferando-Mutter, „dass wir ohnehin besonders hohe Löhne nach Kollektivvertrag“ zahlen. So entstünden „deutlich höhere Personalkosten“ als bei „branchenüblichen Freiberufler-Modellen“. Eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber Anbietern, die keine Anstellungen bieten? Lieferando fordert jedenfalls „faire Wettbewerbsbedingungen, sonst führen einseitige Erhöhungen zu noch mehr freien Dienstnehmern in prekären Verhältnissen. Auch zulasten der Sozialsysteme und Steuerzahler“.

Freiwillig „frei“

Beim Mitbewerber Foodora können die Fahrradboten – intern „Rider“ genannt – laut eigener Auskunft zwischen zwei Vertragsverhältnissen wählen: echter Dienstnehmer und freier Dienstnehmer. „Die überwiegende Mehrheit der Rider entscheidet sich für das freie Dienstnehmermodell. Ein Wechsel zwischen den Modellen ist für verlässliche Rider jederzeit möglich.“ Weiters sind bei Foodora freie Dienstnehmer laut eigener Auskunft „kranken-, unfall-, pensions- und arbeitslosenversichert. Sie verdienen im Durchschnitt 13,20 Euro pro Stunde exklusive Trinkgeld. Die durchschnittliche Bezahlung im Jahr 2023 wurde um zehn Prozent angehoben“.

Foodora arbeitet hauptsächlich mit freien Dienstnehmern
Foodora arbeitet hauptsächlich mit freien Dienstnehmern © Foodora

Übersetzung auf Farsi

Foodora verweist auch auf andere Verbesserungen für die Fahrradboten. Das bedeutet unter anderem: leichtere Rücksäcke; neue Gepäckträger für schwerere Lieferungen; standardmäßige Übersetzung relevanter Kommunikation nicht nur auf Englisch, sondern auch auf Arabisch und Farsi; kostenlose Deutschkurse; schnellere Reaktionszeiten der Disponenten.