Aus Sicht von Österreichs Notenbank-Chef Robert Holzmann wird es voraussichtlich nicht bei einer Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) in diesem Jahr bleiben. Sollte es im Juni so weit sein, würden sicherlich weitere Schritte folgen, sagte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview dem „Handelsblatt“. „Aber ich sehe überhaupt keinen Anlass, dass wir die Leitzinsen zu schnell zu stark senken.“
Jeder Schritt müsse von den aktuell verfügbaren Daten abhängig gemacht werden. „Im September und Dezember werden uns viele neue Daten und Prognosen vorliegen.“ Im Juli hingegen kaum, sagte das Mitglied des EZB-Rats, der über die Zinsen im Euroraum entscheidet.
„Fed ist mit dem Dollar im übertragenen Sinn der Gorilla im Raum“
Zuletzt hatten sich viele Ratsmitglieder für einen ersten Schritt nach unten auf der Sitzung am 6. Juni in Frankfurt stark gemacht, sollte es bis dahin zu keiner Überraschung kommen. Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit dafür gemessen an den Kursen derzeit mit etwa 85 Prozent eingestuft. Im Juni liegen den Währungshütern zu ihrem Treffen auch neue vierteljährliche Prognosen der EZB-Volkswirte zu Inflation und Wachstum vor, danach erst wieder im September und Dezember. Diese sogenannten Projektionen gelten als wichtige Entscheidungsgrundlage.
Zu den Risikofaktoren für eine Zinswende zählt Holzmann ein Hochschnellen des Ölpreises auf 150 Dollar oder darüber hinaus bei einer Eskalation im Nahen Osten. Davon könne ein neuer Inflationsschub ausgehen, warnte er. „Höhere Inflationserwartungen könnten Konsumenten und Produzenten verunsichern. Dann müssten wir umdenken.“ Auch die Entwicklung der Leitzinsen in den USA spiele eine Rolle. Bis zu einem gewissen Grad sei die EZB mit ihren Daten und Entscheidungen von der Fed beeinflusst. Die EZB agiere nicht im luftleeren Raum. „Die Fed ist mit dem Dollar im übertragenen Sinn der Gorilla im Raum.“