Die jüngsten Wirtschaftsdaten aus der Euro-Zone sprechen aus Sicht mehrerer Währungshüter der Europäischen Zentralbank (EZB) für eine baldige Abkehr von der Hochzinspolitik. Laut Litauens Notenbank-Chef Gediminas Simkus wird es dieses Jahr wohl nicht nur bei einem Schritt nach unten im Juni bleiben, wie das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) zu Wochenbeginn auf einer Finanzkonferenz in Litauens Hauptstadt Vilnius sagte.
Seinem EZB-Ratskollegen Boris Vujcic aus Kroatien zufolge wird die Geldpolitik auch nach der Zinswende weiter straff bleiben. EZB-Chefvolkswirt Philip Lane merkte unterdessen in einem Zeitungsinterview an, dass die Argumente für eine Lockerung der Geldpolitik stärker werden.
„Kann sich nicht auf eine Herabsetzung im Juni beschränken“
„Mit Senkungen zu beginnen oder eine weniger restriktive Geldpolitik umzusetzen, kann sich nicht auf eine Herabsetzung im Juni beschränken“, sagte Simkus auf der Veranstaltung. „Ich denke, dass es in Zukunft weitere Zinssenkungen geben wird.“ Wie viele es seiner Meinung nach sein sollten, wolle er nicht ausführen. „Selbst wenn ich bereits die Einschätzung geäußert habe, dass ich dieses Jahr drei Zinssenkungen erwarte“, fügte er hinzu. Und diese setzten voraus, dass sich die Wirtschaft in der Euro-Zone wie erwartet entwickle. Auch Griechenlands Notenbankchef Yannis Stournaras war zuletzt von drei Zinssenkungen in diesem Jahr ausgegangen.
Kroatiens Notenbank-Gouverneur Vujcic zufolge entwickelt sich die Wirtschaft im Euroraum aktuell so, wie es die jüngsten vierteljährlichen Prognosen der EZB-Volkswirte vorausgesagt haben. „Die hereinkommenden Daten sind bisher ziemlich konsistent mit unseren Projektionen“, sagte er auf der Veranstaltung in Vilnius. Sollte dies anhalten, so wie es derzeit zu sehen sei, erwarte er eine Lockerung der geldpolitischen Linie. Diese werde aber immer noch restriktiv bleiben, um sicherzustellen, dass die Inflation auf die von der EZB angestrebte Zwei-Prozent-Marke sinken werde.
„Bestärken mich in meiner Zuversicht“
EZB-Chefvolkswirt Philip Lane zufolge sorgt unter anderem das Abflauen der Teuerung bei den Dienstleistungspreisen für Zuversicht, wie er der spanischen Zeitung „El Confidencial“ in einem Interview sagte. Sowohl die Daten zur Inflation im April als auch die für das Wirtschaftswachstum im ersten Quartal „bestärken mich in meiner Zuversicht, dass die Inflation rechtzeitig zum Ziel zurückkehren wird,“ führte er aus.
Die Inflation in der 20-Länder-Gemeinschaft lag im April wie schon im März bei 2,4 Prozent und damit in der Nähe der EZB-Zielmarke. Die Preise für Dienstleistungen, die die EZB aktuell besonders im Fokus hat, nahmen im April um 3,7 Prozent zu. Es war das erste Mal seit November, dass sich der Preisanstieg bei den Dienstleistungen abgeschwächt hat. Noch im März hatte dieser bei 4,0 Prozent gelegen. Für mehr Optimismus bei den Währungshütern sorgte zuletzt auch, dass die Wirtschaft der Euro-Zone im ersten Quartal wieder in die Wachstumsspur zurückgekehrt war. Das Bruttoinlandsprodukt legte von Jänner bis März zum Vorquartal um 0,3 Prozent zu. In den beiden Vorquartalen war es noch um jeweils 0,1 Prozent geschrumpft.