Der Verkauf ihres Russland-Geschäfts hat für die Raiffeisen Bank International (RBI) höchste Priorität - das sagte RBI-Chef Johann Strobl am Donnerstag in einer Telefonkonferenz mit Analysten. Dafür sei aber auch die Zustimmung der russischen Behörden notwendig. Den Plan, ein Aktienpaket am Strabag-Konzern über die russische RBI-Tochter zu erwerben, würde man aufheben, falls damit ein Sanktionsrisiko verbunden wäre, sagte Strobl.
Die RBI hat im ersten Quartal 2024 ihr Konzernergebnis um ein Prozent auf 664 Millionen Euro um ein Prozent gesteigert - die Hälfte davon wurde in Russland und Belarus erwirtschaftet. Man habe das Russland-Geschäft aber in den vergangenen zwei Jahren bereits deutlich zurückgefahren, sagte Strobl. So sei das Kreditportfolio in Russland deutlich reduziert worden. Darüber hinaus habe man Beschränkungen bei der Finanzierung von Geschäften in Russland und in vielen Nachbarländern eingeführt. „Viele dieser Maßnahmen haben wir proaktiv eingeführt, bevor Sanktionen oder Beschränkungen verhängt wurden“, so Strobl.
Russland-Geschäft nicht zu schnell zu reduzieren
Man habe aber darauf geachtet, das Russland-Geschäft nicht zu schnell zu reduzieren, um den Wert der Russland-Tochter für einen möglichen Verkauf zu erhalten. „Unsere russische Tochter hat bedeutende Investitionen in ihr IT-Personal und die Systeme getätigt, um eine völlige Entkoppelung im Falle eines Verkaufs zu ermöglichen. Das Russland-Geschäft wäre dann vollkommen unabhängig von der RBI-Gruppe und von westlichen IT-Lieferanten.“
Man habe in den vergangenen zwei Jahren viele Angebote für die russische RBI-Tochter erhalten, sowohl aus Russland als auch aus anderen Ländern. Für einen Verkauf sei es aber auch notwendig, dass die russischen Behörden einem potenziellen Käufer zustimmten. „Die Dekonsolidierung unserer russischen Tochter bleibt unsere erste Priorität. Und wir glauben, dass ein Verkauf der schnellste und sauberste Weg dazu ist.“
Pläne für Verkauf nicht betroffen
Die RBI bemüht sich auch um den Erwerb eines durch EU-Sanktionen eingefrorenen Strabag-Aktienpakets, das früher dem russischen Milliardär Oleg Deripaska gehörte, durch die russische RBI-Tochter. Dieses Aktienpaket würde dann an die RBI in Wien in Form einer Sachdividende weitergereicht werden. Das Investmentvehikel, das die Strabag-Aktien hält, wurde an einen nicht sanktionierten russischen Investor verkauft. Nun müsse geklärt werden, ob dieser Verkauf ausreichend sei, um die eingefrorenen Strabag-Aktien wieder freizugeben. Vorher könnten die Aktien weder an die russische Strabag-Tochter, noch an irgendeinen anderen Interessenten übertragen werden, sagte Strobl. „Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Wir werden nicht mit dem Erwerb der Strabag-Aktien durch die Raiffeisen Bank Russia fortfahren, wenn wir glauben, dass ein Risiko für Sanktionen oder andere negative Konsequenzen von irgendeiner der relevanten Behörden besteht“, etwa durch das US-Finanzministerium. Die Pläne für den Verkauf der Russland-Tochter wären von dieser Entscheidung nicht betroffen. „Wir erwarten, dass wir in den nächsten Wochen mehr wissen werden.“
Risikokosten um mehr als 90 Prozent gesenkt
Die Aufforderung der Europäischen Zentralbank (EZB) an die RBI, ihren Rückzug aus Russland zu beschleunigen, prüfe man sehr sorgfältig, sagte Strobl. Praktisch könnte dieses Verlangen aber die Dekonsolidierungspläne beeinträchtigen.
Die RBI hat im ersten Quartal 2024 ihre Risikokosten im Vergleich zur Vorjahresperiode um mehr als 90 Prozent gesenkt. Höhere Zinserträge in Zentral- und Südosteuropa führten zu einem Anstieg des Zinsüberschusses um 70 Millionen auf 1,45 Milliarden Euro. Den größten Zuwachs mit 25 Millionen Euro verzeichnete die Slowakei, vorwiegend aufgrund zinssatzbedingt höherer Erträge aus Kundenkrediten sowie aus Einlagen bei der Nationalbank. Der Provisionsüberschuss sank um 297 Millionen auf 669 Millionen Euro. Den stärksten Rückgang verzeichnete Russland mit 287 Millionen Euro, die restlichen Länder des Konzerns zeigten eine stabile Entwicklung.
In ihrem Ausblick für das heurige Gesamtjahr rechnet die RBI ohne Russland und Belarus, weil die EZB die österreichische Bank aufgefordert hat, ihren Rückzug aus Russland zu beschleunigen. Der Zinsüberschuss dürfte demnach im Jahr 2024 bei rund vier Milliarden Euro liegen und der Provisionsüberschuss bei rund 1,8 Milliarden Euro. Bei den Kundenforderungen wird mit einem Wachstum von 3 bis 4 Prozent gerechnet. Die Verwaltungsaufwendungen werden bei 3,3 Milliarden Euro erwartet, was zu einer Cost/Income Ratio von rund 52 Prozent führen dürfte. Der Konzern-Return-on-Equity dürfte 2024 voraussichtlich bei rund 10 Prozent liegen. Zum Jahresende erwartet die RBI eine harte Kernkapitalquote von rund 14,6 Prozent, wobei eine Entkonsolidierung der russischen Einheit zum Kurs-Buchwert-Verhältnis von Null angenommen wird. Auch die Dividendenentscheidung werde von der Kapitalposition des Konzerns ohne Russland abhängen, heißt es in der Mitteilung.