Hartwig Kirner kennt fair gehandelten Waren wie die ominöse Westentasche, steht der gebürtige Niederösterreicher doch seit mehr als 15 Jahren an der Spitze von Fairtrade Österreich. Umso bemerkenswerter, ist es, wenn selbst Profis wie Kirner mit ihrer Erwartungshaltung danebenliegen. Es sei „überraschend“, sagt Kirner zur Kleinen Zeitung, dass sich die Fairtrade-Umsätze in den letzten Monaten „dermaßen resilient gezeigt haben“.
Tatsächlich scheinen die fair gehandelten Bananen, Rosen oder Schokoprodukte fast immun gegen hohe Inflation, mehr Preissensibilität im Handel und eine eingetrübte Konjunktur. Am Ende stand 2023 ein neuer Umsatzrekord in Österreich. Die 600-Millionen-Euro-Marke wurde erstmals übertroffen, mit 663 Millionen Euro macht das Fairtrade-Wachstum im Jahresabstand zwölf Prozent aus. Blickt man auf den Pro-Kopf-Anteil, liegt Österreich damit weltweit unter den Top-3-Fairtrade-Ländern. Den Produzentinnen und Produzenten bringen diese Verkäufe in Summe 79,3 Millionen US-Dollar an Direkteinnahmen.
Der hybride Handels-Kunde
Was zum bemerkenswerten Wachstum führte? Primär seien es „neue Produkte“ gewesen, schildert Kirner und verweist auf neue Mengenbringer wie Manners Rum-Kokos-Kugeln. Zugleich hätte sich gezeigt, dass sich „nachhaltige Produkte“ bei allen Herausforderungen in Österreichs Handel generell „gut halten“. Wenngleich die Preisdiskussionen an Fairtrade dann doch nicht gänzlich vorbeigingen. „Die Stagnation bei Kaffee“ oder „die Pause des positiven Trends bei der Banane“ führt Kirner darauf zurück.
Prinzipiell wisse man aus Studien, dass Konsumenten hierzulande bereit sind, für Fairtrade-Produkte „bis zu zehn Prozent“ mehr zu bezahlen als für konventionelle Konkurrenz. Immer häufiger beobachte man im Handel übrigens einen „hybriden Konsumenten“, erzählt Kirner. Dieser setze auf nachhaltige Premiumprodukte und sei zugleich affin für Schnäppchen.
Schokolade: „Schmerzhafte Preiserhöhungen“
Mehr als 90 Prozent der Fairtrade-Umsätze werden in Österreich übrigens in den Segmenten Kaffee, Kakao und Bananen erzielt. Wobei der Fokus auf Produzentenseite zurzeit klar den Kakaobauern gilt. Von einer „beispiellosen Entwicklung am Kakaomarkt“ spricht Hartwig Kirner. Eine Mixtur aus geringer Ernte bei hoher Nachfrage und Spekulation trieb den Börsenpreis in nie gekannte Höhen. Zugleich ist die Preisgestaltung der Bauern davon großteils entkoppelt, weil die Regierungen in den wichtigsten Anbauländern (Elfenbeinküste und Ghana) die Preise stets vor der Ernte festlegt.
Eine in Summe sehr heikle Situation also. Die, so viel ist sicher, für die Konsumentinnen und Konsumenten hierzulande zumindest eine Folge haben wird. Bei Schokolade, wo Kakao wichtigster Bestandteil ist, prophezeit Kirner „durchaus schmerzhafte Preiserhöhungen“.