Haben Sie schon von dieser Marke gehört? Der IM L6, eher unscheinbar im Design, eine von über Hundert China-Marken. 900 Volt Architektur (selbst deutsche Luxusmarken bleiben bei 800 Volt), Ladegeschwindigkeiten von bis zu 400 kW (400 km Reichweite in 12 Minuten) und über 1000 Kilometer Reichweite insgesamt. Soviel zu den Eckdaten.
Ein Stück weiter steht Yangwang, eine Luxus-Tochtermarke von BYD. Der U8, ein Riesen-SUV, kann sogar schwimmen, immerhin eine halbe Stunde – muss dann aber zur Inspektion. Der neue U7, eine Limousine, besitzt nicht nur Keramikbremsen serienmäßig, sondern hat neben 960 kW Leistung (1300 elektrischen PS) und Allrad auch drei Lidar-Sensoren, fünf Radargeräte und 13 Kameras an Bord. Diese Armada dient nicht nur dazu sicherer bei den Assistenzsystemen zu werden, sondern auch dem Traum vom autonomen Fahren näher zu kommen. Die ersten Tests seien viel versprechend, heißt es. Der U7 hat eine Computer-Plattform, um alle Daten auszuwerten. Aber der U7 ist auch ein Wink an die alte Welt in Europa: Wie einst Audi demonstriert man die Allradkompetenz mit einer Fahrt auf eine Skisprung- Schanze, um zu zeigen, dass man den Allrad, generiert aus e-Motoren-Antrieb und hoher Software-Kompetenz, ins Duell mit der alten Welt schicken kann.
Handy- und Überwachungselektronik-Hersteller bauen Autos
Handy-Hersteller Xiaomi wird auf der Auto China in Peking ein paar Ecken weiter bejubelt, weil das schnittige Handy-Auto SU7, dass sich designmäßig Porsche anzunähern versucht, einen unglaublichen Start-Preis von nicht einmal 30.000 Euro (27.700 Euro) besitzt.
Ganz China scheint auf das Auto gekommen zu sein. Unterhaltungs-und Überwachungselektronik-Hersteller Huawei fährt in Shenzen mit autonomen Fahrzeugen längst Testrunden im komplexen Verkehr des Stadtgebietes. Der chinesische Verkehr ist nichts für schwache Nerven, sondern nur für starke Ellbogen. Das ist der letzte Elchtest, wenn man so will, für all diese Systeme.
Und so ganz nebenbei schickt CATL, größter Batteriehersteller der Welt – in jedem dritten E-Auto stecken CATL-Batterien – eine neue Wunderbatterie ins Rennen. Mit Reichweiten und Ladegeschwindigkeiten, die einfach nur staunen lassen. Die neue Lithium-Eisenphosphat-Batterie kann in nur zehn Minuten 600 Kilometer laden. Die Batterie rangiert bei 1000 Kilometer Reichweite, heißt es. Sogar Batterien für Flugzeuge seien knapp vor dem Produktionsstart.
Der Realitäts-Check ernüchtert
Schaut man sich die chinesische Autowelt aus dieser Perspektive an müsste man sofort Europas Schlüsselindustrie in Frage stellen. Auf der Auto China tummelten sich rund 700 Aussteller, gezeigt wurden knapp 280 reine E-Autos und Plug-in-Hybride, davon 117 neue Modelle. Auf dem weltweit größten Automarkt sind fast 400 reine E-Autos (BEV) und Plug-in-Hybrid-Modelle (PHEV) von über 100 Anbietern auf dem Markt. In diesem Jahr kommen voraussichtlich 110 neue dazu. Zum Vergleich: In Deutschland sind rund 210 BEV und PHEV im Angebot, davon etwa 90 der deutschen Autobauer.
Aber kratzt man ein wenig an diesem schön scheinenden Lack, erhält man eine neue Perspektive.
In China sind in den letzten 20, 30 Jahren eben Hunderte Automarken entstanden. Es herrschte und herrscht Goldgräberstimmung. Bloß geht das Gold aus. Firmen wie Xiaomi müssen ihre Autos mit Tausenden Dollars stützen. Der ruinöse Preiskampf kostete BYD zuletzt Turbo-Gewinne.
Und wirft man einen Blick ins Straßenbild von Peking, fällt die Revolution überhaupt aus. Es sind keineswegs ausschließlich fahrende Bildschirme, neueste High-tech-E-Autos unterwegs. Man sieht auch eine Menge alte Japaner oder Europäer.
Europas falsche Strategie
Während die Schlagzeilen von einem Batterie-Rekord zum anderen reichen, übersehen wir eines: Europa ist noch nicht soweit, und das betrifft alle Hersteller und alle Länder. Klar gibt es immer mehr Ladestationen, aber flächendeckende 400 kW-Anlagen werden noch lange rar bleiben. Nicht nur deshalb, weil unser Stromnetze es nicht schaffen und die Energie-Anbieter sich viel zu viel Zeit lassen, ein transparentes Ladesystem aufzubauen.
Noch immer ist man in Roaming-Konflikten verstrickt, man kann in den wenigsten Fällen direkt mit Kreditkarte und ohne Bindung zahlen und die Kennzeichnungspflicht für die Preise direkt an der Ladesäule ist nach wie vor ein Fremdwort für die Energieanbieter. Und dann erst die Preise für den Strom, vor allem beim schnellen Laden.
Die Wucht der chinesischen E-Auto-Welle, die auf Europa brandet, wird dadurch wohl vermindert. Chinesische Hersteller legen deshalb mit Plug-in-Hybriden, also mit der Kombination Verbrenner/E-Motoren nach.
Die vom Staat unterstützte chinesische Autoindustrie hat aber auch Auswirkungen auf den weltweiten Start-up-Markt. Rivian, eigentlich mit dem Giganten Amazon im Rücken, kämpft mit Finanzproblemen. Der bei Magna in Graz produzierte Fisker Ocean hat – auch ob seiner technischen Anlaufschwierigkeiten bei Software und Technik – ohnehin schon fast ausgelitten. Die Chinesen entwickeln und produzieren schneller als alle anderen – und haben auch noch einen technischen Vorsprung.
Elon Musk in die Enge getrieben
Selbst Elon Musk, der mit Tesla als Start-up startete und laut Börsenwert die wertvollste Automarke der Welt führt, muss ob der chinesischen Konkurrenz Federn lassen. Seine fast religiöse Fanbase hat ihm zwar geholfen als er vor dem Launch des Model 3 fast pleite gegangen wäre. Aber jetzt durchkreuzen die chinesischen Automarken, und allen voran BYD, oder Branchengrößen wie BAIC (MG) seine Wachstumspläne und Gewinnaussichten.
Mit seinen auch durch den Preiskampf am chinesischen Markt ausgelösten Preis-Senkungen ist Musk, der Vordenker, ganz schnell in die Old-Auto-Economy abgedriftet. Deshalb macht er sich derzeit so für die autonome Robotaxis stark, in dem Bereich geht es nicht mehr um das Verkaufen von Autos, sondern um das Geschäftsmodell pro Kilometer. Hier könnte er noch mit seiner Software punkten, wenn ihm das Geschäft Autoverkauf zwischen seinen Händen zerbröselt. Chinas Autoindustrie hat ihn in einen ruinösen Preiskampf getrieben.
Aprops Software: Dabei liegt heute der Fokus nicht auf Info- und Entertainment. Sondern: Wie gescheit ist zum Beispiel meine Autotür, wie kann ich sie mit meinen Sicherheitssystemen so vernetzen, dass sie über akustische und optische Signale warnt, dass sich ein Radfahrer nähert – und ich jetzt nicht die Tür öffnen darf.
Diese Vernetzung Hunderter Systeme, und deren reibungsloser Ablauf im Zusammenspiel sollen ins gelobte Land des autonomen Fahrens führen. Auch hier haben die Chinesen die Nase vorne. Chinas führende Autobauer haben Wege gefunden, die Entwicklungszeit ihrer Fahrzeuge drastisch zu verkürzen, von drei Jahren auf etwa 18 Monate. Die Lidar-Sensoren von Hesai kosten zum Beispiel etwa nur halb so viel wie die derzeit Gebräuchlichen.
Immerhin: BMW und Mercedes sind beim autonomen Fahren auf der Höhe der Zeit, und liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Chinesen. Tesla wird in der Branche kritisch gesehen, weil man statt auf Lidar-Sensoren, Radar und Kameras lediglich auf Kameras und KI setzte.
Der Preiskampf kommt
Bleibt nur noch der Preis. BYD zeigt auf der Auto China den Seagull (Möwe), im auffälligen Gelb. Ein 8600-Euro-Auto in der chinesischen Fassung. Für Europa werden es aufgrund der Zölle und der strengeren Auflagen (Sicherheitsfeatures) wohl etwas über 15.000 Euro sein. Zieht man aber in Ländern wie Österreich die Förderung ab, sind wir bei einer magischen 10.000-Euro-Grenze. Kein Europäer kann derzeit mithalten und so ein kleines E-Auto anbieten. Kommt der Seagull, werden die Karten nochmals neu gemischt. Europa startet erst 2025/2026 mit den 20.000/25.000-Euro-E-Autos. Darunter schafft man es derzeit nicht.