Frauen bleiben in Politik und Wirtschaft unterrepräsentiert, übernehmen vorwiegend die Sorgearbeit und werden leicht aus Männerbranchen verdrängt. Um Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen zu gewährleisten, gebe es weiterhin „erheblichen Handlungsbedarf“, resümiert das Wifo in einem aktuellen „Research Brief“. In den letzten zehn Jahren habe es eine Verringerung struktureller Unterschiede, aber keine vollständige Angleichung der Lebensbedingungen gegeben.
Rollenerwartungen prägen Berufswahl
So prägen Rollenerwartungen weiterhin die Berufswahl. Frauen wählen eher soziale, gesundheitliche und erzieherische Ausbildungswege, Männer eher jene im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik). Die frühe Berufswahl im österreichischen Bildungssystem verstärke diese „horizontale Segregation“. Selbst wenn Frauen eine MINT-Ausbildung beginnen, brechen sie diese eher ab oder ergreifen später seltener einen Beruf in der Branche als Männer, werden also leicht aus diesen männerdominierten Branchen verdrängt. Hier brauche es veränderte Rahmenbedingungen, auch in Betrieben, schließen die Autorinnen um Wifo-Ökonomin Christine Mayrhuber in ihrem Überblick über die Lage der Gleichstellung.
Gender-Pay-Gap bleibt aufrecht
Weiterhin aufrecht bleibt auch aufgrund dieser Segregation der Gender-Pay-Gap. Obwohl Frauen bei den Bildungsabschlüssen aufgeholt haben – bei den 20- bis 25-Jährigen gibt es unter den Frauen mehr Hochschulabsolventinnen –, führt das nicht zu einer finanziellen Gleichstellung bei den Erwerbseinkommen. So verdienen Frauen mit Hochschulabschluss eineinhalb Jahre nach dem Berufseinstieg im Schnitt elf Prozent weniger als Männer, bei Frauen mit Pflichtschulabschluss liegt der Rückstand zu den Männern sogar bei 36 Prozent. Einkommensunterschiede hätten trotz einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen nicht nur nicht vollständig ausgeglichen, sondern nicht einmal „wesentlich verringert“ werden können, so das Wifo.
Keine Änderung bei Sorgearbeit
Keine Verschiebung gibt es bei der unbezahlten Betreuungsarbeit, die trotz ihrer höheren Erwerbsbeteiligung immer noch überwiegend von Frauen übernommen wird: 83,3 Prozent der Frauen und nur 28,4 Prozent der Männer arbeiten täglich im Haushalt, 35,6 Prozent der Frauen und 20,8 Prozent der Männer übernehmen täglich Betreuungsaufgaben. Das führt zu Mehrfachbelastung.
Frauen sind öfter alleinerziehend als Männer – 5,4 Prozent der Haushalte waren 2022 Mütter in Ein-Eltern-Haushalten, 1,1 Prozent Väter in Ein-Eltern-Haushalten – und im Alter häufiger geschieden oder verwitwet. Dass sie dann alleine leben, kann zu prekären Situationen führen – alleinlebende Frauen im Pensionsalter hätten nach Alleinerziehenden und Mehrkindfamilien die höchste Armutsgefährdungsquote. Auch bei der Gesundheit gibt es Differenzen, verbringen Frauen doch trotz höherer Lebenserwartung und gesünderer Lebensweise nicht mehr Jahre in guter Gesundheit als Männer.
Nur elf Prozent Bürgermeisterinnen
„Weit entfernt“ sind Frauen von einer ihrem Bevölkerungsanteil entsprechenden Repräsentation in Politik, Wirtschaft und Medien. So ist ihr Anteil bei Ämtern auf Gemeindeebene, anders als etwa in der Bundesregierung, besonders niedrig. Der Bürgermeisterinnenanteil beträgt nur elf Prozent. Auch bei der politischen Themenverteilung gibt es Unterschiede – so werden Finanzressorts mehrheitlich mit Männern, Bildungs- und Sozialressorts mehrheitlich mit Frauen besetzt. 12,2 Prozent beträgt beispielsweise der Frauenanteil in der Geschäftsführung der „Top 200“-Unternehmen in Österreich, vier Prozent jener im Verband Österreichischer Zeitungen.
Basis des Berichts ist eine vor Kurzem veröffentlichte Studie des Frauenministeriums. Der Bericht könne Grundlage für ein regelmäßiges Monitoring werden, so das Wifo. Für eine wissenschaftliche Grundlage für Maßnahmen zur Gleichstellung könnten vertiefende Analysen in Form eines Frauenberichts ein nächster Schritt sein, der letzte wurde 2010 veröffentlicht.