Im globalen Rennen um die besten Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) galt Nyonic als deutscher Hoffnungsträger. 2023 gegründet, hatte das Start-up die Geschäftsidee, Sprachmodelle für bestimmte Industriezweige zu entwickeln. Mit vollem Fokus auf Europa und europäische Sprachen. Von einem „ChatGPT für Unternehmen“ war anfangs gerne die Rede, die große Aufmerksamkeit hatte aber auch mit der populären Riege an Gründerinnen und Gründern zu tun.
Feiyu Xu, vormals KI-Chefin beim deutschen Softwareriesen SAP, war darunter. Ebenso der renommierte Informatiker Hans Uszkoreit oder Johannes Otterbach, früher bei OpenAI, und Vanessa Cann, die zuvor den deutschen KI-Bundesverband geleitet hatte.
Heuer im Februar kam es zum großen Bruch. Vier von fünf Gründern verließen das Start-up, darunter auch Vanessa Cann, die wir am Rande des A1 Business Forums in Graz treffen. Der Chef habe die Firmenversion „torpediert“ und wolle Nyonic „stärker auf China ausrichten“, schrieb das Handelsblatt.
Ja, es hätte „viele strategische Differenzen gegeben“, erzählt Cann im Gespräch, das sich schnell weiterdreht. Ob es überhaupt noch möglich ist, KI-Grundlagentechnologie in Europa zu entwickeln? Vanessa Cann zweifelt. Sieht Europas Stärken und Chancen eher anderswo, ein paar Schritte weit entfernt von den rechen-, daten- und kapitalintensiven Basismodellen.
„Wir haben in Europa die Chance, Anwendungsweltmeister zu werden“, sagt Cann – und zwar aufbauend auf frei verfügbaren Basis-Modellen („Open Source“). In Summe gehe „der Trend weg von großen Modellen“, sagt Cann. Habe man bisherige KI-Sprachmodelle gewissermaßen als „Maturanten“ ausgebildet, gelte es jetzt verstärkt, Modelle „mit Fachexpertise anzureichern“. Damit sie „Jargon“ verstehen. Bei der Datengrundlage für diese Modelle wiederum gehe man von Quantität in Richtung Qualität. Cann: „Der Fokus liegt darauf, zu wissen, womit man diese Modelle füttert“.
Die großen Sprachmodelle hätten eine „Revolution“ ausgelöst, ChatGPT als Anwendung der Künstlichen Intelligenz eine Oberfläche für Konsumenten verliehen. Von einer „Demokratisierung der KI“ spricht Cann und ergänzt: „Man versteht heute unter KI etwas völlig anderes als vor sieben Jahren“. Eine Transformation, die sich längst auch in der unternehmerischen Landkarte abbildet. Vanessa Cann: „KI ist ein Thema der Vorstände geworden“.