Wenn die gemeinsame Sprache Deutschland und Österreich trennt, dann sind die engen wirtschaftlichen Verflechtungen der Kitt zwischen beiden Ländern. Der wurde zuletzt leicht angekratzt: Das gegenseitige Exportvolumen ist mit 163,5 Milliarden Euro weiterhin riesig, aber um rund zwölf Milliarden Euro oder acht Prozent eingebrochen. Der Rückgang spiegelt zu einem beachtlichen Teil Österreichs Rückkehr zum russischen Gas wider. Denn die Öl- und Gaslieferungen, die Österreich 2022 in der Not nach Beginn des russischen Angriffskriegs über Deutschland importierte, fielen 2023 fast völlig zurück. Hohe Energiekosten blieben. Sie sind in beiden Ländern die Achillesferse für die Standort-Wettbewerbsfähigkeit.
Über die deutsch-österreichische Achse soll nun offenbar mehr Druck aufgebaut werden, um die Preise herunter zu bekommen. Ein erster wichtiger Akt in diese Richtung könnte die Rücknahme der 2022 von Deutschland eingeführten Gasspeicherumlage sein. „Die führt dazu, dass Österreich kostenmäßig in russisches Gas reingetrieben wird“, so Felbermayr. In Berlin dürfte es inzwischen Gesprächsbereitschaft geben, die wohl ohnedies EU-rechtswidrige „Wegelagerei“ (Felbermayr) zu beenden. DHK-Geschäftsführer Thomas Gindele zufolge gibt es darüber „intensive Gespräche“. Gindele: „Da scheinen sich Lösungen abzuzeichnen.“
„Dürfen in Europa nicht zur Höchstpreiszone werden“
Wer etwa Batteriezellen-Fertigung in Europa wolle, „muss sich intensiv engagieren für den Ausbau der Erneuerbaren Energien“, fordert Österreichs DHK-Präsident Hans Dieter Pötsch. Der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende der Volkswagen AG und Vorstandsvorsitzende der Porsche SE spricht sich so wie Felbermayr für eine stärkere Kooperation in der Energieversorgung und Bürokratieabbau aus. „Wir dürfen in Europa nicht zur Höchstpreiszone werden“, fordert Felbermayr massiven Druck auf Brüssel für die Schaffung eines gemeinsamen Energiemarktes und einer Kapitalmarktunion. „Wir wollen grüne Energie, nicht teure Energie“, so Felbermayr, „es ist wichtig, dass die neue EU-Kommission das verinnerlicht“.
Schnell umsetzbar sei auf europäischer Ebene eine Änderung der Merit-Order, der zufolge etwa für die Stromproduktion eingesetzte Gaskraftwerke und damit Gaspreise den Strompreis bestimmen. Es könne nicht sein, dass die geringen Produktionskosten aus Wind, Sonne und Wasserkraft dadurch nicht zum Tragen kämen. „Die müssen allen Verbrauchern zum Vorteil gereichen“, so der Wifo-Chef, auch wenn das Milliardengewinne in der Energiewirtschaft vernichte. Im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas sei „die Energie der mächtigere Hebel als die Personalkosten“. Beim Netzausbau, der mittelfristig allein in Österreich zweistellige Milliardeninvestitionen erfordert, dürften die Kosten nicht voll auf die Preise umgelegt werden.
Das Ende des Gas-Transitvertrages über die Ukraine ab 2025 ist aus Sicht Felbermayrs „kein Anlass für Katastrophenstimmung“. 2022 sei gelungen, die notwendigen Mengen nach Österreich zu bringen. Jetzt seien die Speicher voll, „wir haben Grund, optimistisch zu sein“, so der Wifo-Chef.
„Solche Debatten halte ich für wenig produktiv“
Diskussionen über eine 41-Stunden-Woche halten Pötsch und Felbermayr für verfehlt. „Wenn man 32 Stunden in den Wald hineinruft, kommen 41 zurück. Solche Debatten halte ich für wenig produktiv“, so Felbermayr. „Wesentlich ist, dass die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden im Gleichklang mit dem Bevölkerungswachstum sind.“ Insgesamt müsse man mehr Produktivität hinbekommen, so Pötsch. „Es wäre durchaus wünschenswert, wenn die Politik sich bemühen würde, dafür eine Gesamtkonzeptionierung auf den Tisch zu legen.“
Zwölf Prozent der gesamten österreichischen Wirtschaftsleistung kommen übrigens aus den Geschäften mit Deutschland. 4501 deutsche Unternehmen beschäftigen in Österreich rund 360.000 Mitarbeiter.