Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte aus Sicht ihres Vizechefs Luis de Guindos nach einer ersten Zinssenkung im Juni mit großer Vorsicht vorgehen. Ein erster Schritt nach unten im Juni sei praktisch schon eine vollendete Tatsache, sollte die Entwicklung bis dahin wie in den vergangenen Wochen ohne Überraschungen verlaufen, sagte der Stellvertreter von Notenbank-Chefin Christine Lagarde der französischen Zeitung „Le Monde“ (Dienstagsausgabe).
„Was das weitere Vorgehen angeht, so würde ich sagen, dass ich sehr vorsichtig bin“, sagte er. Was nach dem Juni geschehe, hänge unter anderem von der Entwicklung der Daten ab, der geopolitischen Lage und der möglichen Auswirkung auf die Ölpreise.
Die EZB müsse auch die Lohnentwicklung und die Entwicklung der Produktivität im Euroraum im Blick haben, sagte de Guindos zu der Zeitung. „Und wir werden berücksichtigen müssen, was in den Vereinigten Staaten geschieht, wo die Inflation höher ist“, merkte er an.
Zinssenkung in den USA erst im Herbst
Es gebe ein hohes Ausmaß an Unsicherheit. Zuletzt stiegen in den USA die Verbraucherpreise überraschend kräftig um 3,5 Prozent zum Vorjahresmonat an. Angesichts der zähen Inflation wird an den Finanzmärkten inzwischen eine Zinssenkung in den USA erst für September erwartet. Im Euroraum dagegen lag die Inflation im März bei 2,4 Prozent und damit bereits nahe am EZB-Ziel einer Teuerung von 2,0 Prozent.
Die beiden nächsten Zinstreffen der EZB sind am 6. Juni und dann am 18. Juli jeweils in Frankfurt. Viele Währungshüter hatten zuletzt deutlich signalisiert, dass die Euro-Notenbank auf der Juni-Sitzung erstmals wieder die Zinsen senken könnte.