War die Signa-Gruppe finanziell schon am Ende, als ihr Gründer René Benko noch monatelang durch die Welt jettete und Geld einsammelte? Das wird in vielen Gerichtsverfahren in den nächsten Jahren eine zentrale Frage sein. Geld aufzutreiben, war Benkos Gabe. Zwei Kanzler wurden Teil des Luxus-Zirkus, viele namhafte Unternehmer. Die „Krone“ wollte Benko kontrollieren. Das soeben erschienene Buch „Inside Signa“ (“edition a“) der Aufdecker-Journalisten Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart gibt über viele spannende Dokumente Einblicke, wie es zur größten Pleite der Zweiten Republik kam.
Der 1. Dezember 2022 könnte der Wendepunkt gewesen sein. Der Tag, an dem Multi-Milliardär Klaus-Michael Kühne Benko abservierte. Bei einem Essen ließ der Logistik-Unternehmer den Signa-Gründer nach ein paar Minuten knallhart sitzen und ging: „. . . das Vertrauen ist zerstört“ ließ Kühne Benko wenig später wissen und kündigte die Rückabwicklung der Beteiligung der Kühne Holding an der Signa Prime Selection an.
Benko gab da noch nicht auf, schreibt einen lange Brief. Er trieft vor Wehleidigkeit. Wer auf geschliffenes Deutsch Wert legt, wundert sich. Kühne antwortet auch. Der Schriftwechsel ist einer der Höhepunkte des Buches. Wie Kühne kühl und höflich in acht glasklaren Absätzen formuliert, warum die Geschäftspraktiken Benkos zum Bruch geführt haben. Die Kühne Holding, die zum Teil eher unfreiwillig eine halbe Milliarde Euro in die Signa Prime gesteckt hatte, soll später noch 16 Millionen Euro Dividende bekommen. Für 2022, als die Gesellschaft wohl schon 1,2 Milliarden Euro Verlust schrieb.
Fleckl und Reinhart können mit vielen Protokollen auftrumpfen, die zeigen, wie die Finanzprobleme in der Signa um Weihnachten 2022 eskalieren. Mastermind Benko – der ja seit 2013 keine offiziellen Funktionen mehr in seiner Gruppe bekleidete – hatte da wohl schon nicht mehr kontrollierbare Finanzlöcher zu stopfen. Er sammelte Geld ein, wo es noch ging. 25 Millionen Euro sind da vergleichsweise wenig Geld. Ausgerechnet ein Kredit in dieser Höhe, dessen Verlängerung Benko im Sommer 2023 bei einer österreichischen Privatbank noch gelang, ist jetzt ja juristischer Auftakt umfassender Ermittlungen gegen Benko persönlich – ob er die Banker täuschte. Sein Anwalt Norbert Wess weist das zurück. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Die Intransparenz in der Signa Retail bewog bereits 2016 den Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking zum Ausstieg. Er schrieb am 4. Juni an Benko: „Es hat nichts mit Gier, so wie Du es mir am Telefon vorgeworfen hast, zu tun, sondern mit Fairness und Offenheit und Klarheit. Fakt ist, dass ich von Dir bis heute keine betriebswirtschaftlichen Unterlagen und Jahresabschlüsse seit meiner Beteiligung bekommen habe, obwohl ich Dich dazu mehrfach gebeten habe. Ferner wurde ich in keine Entscheidung und/oder Neuausrichtung der Beteiligung nach meiner Kapitaleinlage einbezogen.“ Es ging um die Signa Retail. Wiedeking: „Alle Geschäfte der Signa Retail sind für mich bislang nicht nachvollziehbar.“ Der deutsche Top-Manager war „der erste große Kritiker“ Benkos, schreiben Fleckl und Reinhart. Wiedeking war dem Signa-Gründer mit sehr vielen Fragen auf den Pelz gerückt – bis Benko ihn Anfang November 2016 um 66 Millionen Euro auslöste.
Party und Polit-Prominenz
2017 ist noch Party. In der Villa „Ansaldi“ im pittoresken Sirmione am Gardasee werden am 15. Juli bei einem Sommerfest und Benkos 40er unglaubliche 650.000 Euro auf Firmenkosten verprasst, Xavier Naidoo singt, zu den Gästen gehören u. a. der damalige Außenminister Sebastian Kurz, der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka, Susanne Riess-Hahn, EU-Kommissar Johannes Hahn, Altkanzler und Signa-Aufsichtsrat Alfred Gusenbauer.
Gusenbauers Nachkanzler-Bedeutung hängt an Benko, wie auch die Autoren herausarbeiten. 2007 brachte ein Mitarbeiter Gusenbauers dessen israelischen Wahlkampfberater Tal Silberstein und 2008 den Diamantenhändler Beny Steinmetz mit Benko zusammen. Später sollen sie Pläne schmieden, wie Benko in den deutschen Warenhaushandel kommt. Die Politik hatte Gusenbauer im Dezember 2008 hinter sich gelassen. Noch vor Heiligabend hatte er einen lukrativen Beratervertrag für Benko in der Tasche. Ein paar Jahre später soll Sebastian Kurz im Nahen Osten Benko Türen öffnen. Als Benkos Berater dürfte er noch im Sommer 2023 behilflich gewesen sein, aus den Emiraten ein Darlehen von 100 Millionen Dollar in die Signa-Kassen zu spülen.