Im Kampf gegen den Fachkräftemangel fehlt der Regierung nach Ansicht des Rechnungshofs eine „Gesamtstrategie“. Durch das Ausscheiden der „Baby-Boomer“-Generation aus dem Berufsleben werde sich dieser mittel- und längerfristig verschärfen, heißt es in einem am Freitag veröffentlichten Bericht. Gegensteuern könnten die Ministerien mit Aus- und Weiterbildungen, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung von älteren Personen, Frauen sowie Migranten und mit qualifizierter Zuwanderung.
In der Regel prüft der Rechnungshof die Finanzgebarung öffentlicher Stellen und konkreter Maßnahmen, diesmal lieferte er allerdings eine Arbeitsmarkt-Bestandsaufnahme. Er untersuchte die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt von 2008 bis Mitte 2023. Zwar habe es seitens der zuständigen Ministerien und Länder Initiativen gegen den Fachkräftemangel gegeben, ein umfassendes Konzept fehle jedoch nach wie vor, heißt es in dem Bericht laut Aussendung.
Mehr als 31 Prozent Teilzeitarbeit
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, brauche es Maßnahmen im Bereich Bildung: „Ein mittleres und hohes Qualifikationsniveau wirkt sich positiv auf die Beschäftigungschancen und das Erwerbseinkommen aus und es verringert das Arbeitslosigkeitsrisiko“, so die Prüfer. Außerdem würde ein „nicht zu vernachlässigender Anteil“ der Schülerinnen und Schüler über „keine ausreichenden Basiskenntnisse“ in Lesen und Mathematik verfügen.
Der Rechnungshof wies auch auf die hohe Teilzeitquote hin: Zwar lag die Beschäftigungsquote 2022 um fast sechs Prozent über jener von 2008, das Ausmaß der geleisteten Arbeitsstunden blieb aber weitgehend konstant. Hierzulande arbeiteten 2022 31,2 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit, wie aus dem Bericht hervorgeht. Das Arbeitskräftepotenzial müsse ausgeschöpft und mobilisiert werden, lautete die Empfehlung.
Dauerthema Kinderbetreuung
Mehr als die Hälfte der unselbstständig beschäftigten Frauen arbeitete 2022 laut Rechnungshof Teilzeit, bei Männern lag die Quote bei 11,9 Prozent. Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Erhöhung der Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarkt seien das Angebot und die Qualität der Kinderbetreuung, erklärten die Prüfer. Auch steuer- und beihilfenrechtliche Rahmenbedingungen sowie die Ausgestaltung von Sozialleistungen spielten eine Rolle.
Außerdem forderte der Rechnungshof den Verbleib älterer Erwerbstätiger im Arbeitsprozess sowie die Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt. Das Arbeitskräftepotenzial von in Österreich lebenden ausländischen Staatsangehörigen würde teilweise nicht ausgeschöpft werden. So lag die Beschäftigungsquote von Staatsangehörigen aus Afghanistan, dem Irak und Syrien unter 45 Prozent. Schlussendlich empfehlen die Prüfer die Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus Drittstaaten.
Geteilte Reaktionen
Das zuständige Arbeits- und Wirtschaftsministerium verwies in einer Reaktion auf den RH-Bericht auf mehrere Maßnahmen gegen den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften wie beispielsweise den Schulungszuschlag Neu sowie die Jugendcolleges, die durch ein Intensivprogramm zur schnelleren Integration von Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten am Arbeitsmarkt beitragen würden, oder der Ausbau der Kinderbetreuung. Ein Strategieausschuss, an dem mehrere Ministerien, zuständige Stellen wie das AMS sowie Sozialpartner teilnehmen, soll zudem eine „allgemeine, bundesweite und ressortübergreifende Strategie zur Fachkräftezuwanderung“ umsetzen. Ziel sei die „Hebung des inländischen Potenzials, Zuzug von EWR-Bürgerinnen und Bürger sowie Fachkräfte aus Drittstaaten“.
„Die schwarz-grüne Bundesregierung hat mit ausdauernder Lethargie dabei zugesehen, wie eine ganze Generation peu á peu die verdiente Pension antritt, ohne eine Strategie zu entwickeln, wie man die nötigen Fachkräfte nachbesetzen oder gar erhalten kann“, kritisierte die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Die Neos forderten die Regierung auf, umgehend zu handeln. „Reden allein reicht nicht – wenn ÖVP und Grüne hier nicht endlich liefern, wird sich die Personalnot noch weiter verschärfen und Österreich als Wirtschaftsstandort immer unattraktiver“, so Wirtschaftssprecher Gerald Loacker.